21.4.2021 – you an’ I engaged in a kiss

Heute vor 5 Jahren starb Prince und er fehlt mir sehr. Aber was anderes: Die meisten Menschen erröten ja schamvoll, wenn man sie nach ihrer ersten Single fragt. Meine war *angeb* die hier:

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(Keine Sorge: Bevor Sie an der Erhabenheit meines unübertreffbar guten Musikgeschmacks verzweifeln: Meine erste CD-Single war „All that she wants“ von Ace Of Base)

Seit 31 Jahren ist übrigens – egal, was für Musik sonst gerade auf Heavy Rotation läuft – die Sign O’ The Times mein erstes Album des Sommers. Wenn es das erste mal richtig heiß ist, muss ich – die Fenster unten und die Lautstärke auf Anschlag – einmal durch die Hitze fahren und so laut wie schief alles von „My sister killed her baby ‚cause she couldn’t afford to feed it“ bis „I may be qualified for a one night stand but I could never take the place of your man“ mitsingen. Könnte langsam mal kommen, by the way

Der Doc empfahl, ich solle mich schonen und mal nicht arbeiten und dann mal sehen, was das mit dem Ohr macht. Dementsprechend gibts nicht viel zu erzählen. Ich habe viel auf Couchen gesessen und mich mit dem neuen Laptop – Netzwerkname „Airknee“, soviel zu Stil und gutem Geschmack – vertraut gemacht. Photoshop hängt sich direkt beim Start auf, die Creative Cloud auch und zum Deinstallieren von Photoshop bräuchte ich die Creative Cloud und das ist alles etwas unerfreulich aber bestimmt findet sich das und sonst ist diese erschreckend kleine Kiste sehr super.

Die Liebste steckte von neun bis fünf vor der Kamera in einer Fortbildung und abgesehen davon, dass sie laufend über die Videokonferenzlösung eines amerikanischen Netzwerkslösungsgiganten mit „Cis“ im Namen schimpfte, bekam ich kaum etwas von ihr mit. Immerhin hatte man ihnen eine Mittagspause gegönnt und um eine Minute nach zwölf hatte ich sie ins Auto gesetzt. Um während so einer Veranstaltung zwischendurch abschalten zu können, braucht man einen radikalen Tapetenwechsel. Und was leichtes zu essen.

Und im Internet gelesen hab ich auch.

Zeugs:

Eine sehr umfassende Analyse über das Konglomerat von Gründen, warum die deutsche Polizei ist wie sie ist. Von …

Von 47 Beamten der Führungs­etage des Bundes­kriminal­amts waren 45 ehemalige Gestapo-Leute. Allein 33 der Führungs­beamten hatten zum Führungs­personal der SS gehört. Noch der vierte Präsident des Bundes­kriminal­amts, der 1965 ins Amt kam, war ein früherer SS-Mann.

… über …

Einige [neue Bundesländer] Länder haben Beamte übernommen und dann überprüft, ob sie Mitglied der Stasi waren. Andere Länder haben erst überprüft und dann übernommen, was schnell zu Personal­problemen führte und dazu, dass man beide Augen zugedrückt hat.

… bis …

Zum einen ist die Polizei per se eine konservative Institution. Zum anderen trifft dies in Deutschland ganz besonders zu, weil sie aufgrund ihrer Abgeschlossenheit im eigenen Saft schmort. Die Polizei­ausbildung steht nicht jedem offen. Sie untersteht dem Innen­ministerium, das über Ausbildungs­inhalte und Dozenten entscheidet. So entsteht von Anfang an eine Subkultur, in der man eine bestimmte Form von Angepasstheit lernt und in der sich bestimmte Stereotype entwickeln.

alle: Thomas Feltes, Polizei­wissenschaftler und einstiger Rektor einer Polizeihochschule im Interview mit Daniel Ryser auf republik.ch: Fast jeder Polizist hat eine Leiche im Keller, weil jeder mal was falsch gemacht hat, was vertuscht wurde

… erfährt man man zwar je nach Vor-Interesse mehr oder weniger neues – aber so als ein komplettes Bild habe ich das noch nirgends gefunden.


Christian Gesellmann ist bei den Krautreportern neu ins Thema Feminismus eingestiegen. Ja, ein Mann. Warum, das erklärt er hier – und auch, wie viel sein bisheriges Hauptthema „Rechtsradikalismus“ damit zu tun hat.

Aber auch Medien und Politik erkennen Frauenhass, wenn überhaupt, dann höchstens als eines von mehreren Motiven der Täter, meist als ein untergeordnetes. Das ist ein Problem, weil wir deshalb nur sehr langsam und viel zu spät begreifen, welche zentrale Rolle Frauenhass bei der Radikalisierung junger Männer hat. Weil wir deshalb extrem unterschätzen, wie Antifeminismus als Rekrutierungs- und Vermarktungsstrategie der Neuen Rechten funktioniert. Weil wir nicht sehen, wie sehr das alltägliche Lachen und Stöhnen und Schimpfen unter Freunden und in sozialen Medien, in unseren Parlamenten und Lokalzeitungen über selbst die billigsten Forderungen nach Gleichberechtigung den Nährboden für den Rechtsextremismus bilden.

Sehr viel Hintergrund also, aber irgendwo in der Mitte schreibt er dann auch zB von dem Moment, als er selbst etwas über unsere maskulinistische Welt begriff:

Irgendjemand kam auf die gute alte Idee: Lass uns Klamotten tauschen. Männer tragen Frauenklamotten. Frauen Männersachen. Es war eine der lustigsten Nächte meines Lebens. Und als der Sturm vorbei war, das Festivalgelände wieder öffnete, ging ich los in einem gehäkelten, bauchfreien Top und einer Menge Glitzer im Gesicht. Ich fühlte mich sehr sexy, sehr gut. Und nach dieser Nacht dachte ich keine Sekunde mehr daran. Bis ich ein Wochenende später im Stehblock im Fußballstadion stand und hüpfend und brüllend mit Hunderten anderen Männern meinen Heimatverein anfeuerte. Plötzlich fühlte ich mich nackt und wehrlos. Ich dachte: Wäre ich aus irgendeinem Grund in diesem gehäkelten bauchfreien Top hier in diesem Block gelandet, es würde nicht gut ausgehen.

beide: Christian Gesellmann auf krautreporter.de: Die Neue Rechte und Frauenhass – Warum ich als Mann über Feminismus schreibe

… und mir fiel wieder ein, wie ich mich damals, samstags abends um zehn in der Pommesbude in der Innenstadt fühlte, als ich im Rock zu unserer Theaterpremiere gegangen war. Eigentlich gut vergleichbar mit der verlinkten Geschichte – das Theater war immer ein sicherer, ein wenig der normalen Welt entrückter Raum und wir Vereinsmitglieder hatten dort Heimrecht und Narrenfreiheit. Als wir danach dann aber noch in die Kneipe wechselten und kurz in der Pommesbude stoppten, wurde aus dem harmlosen H&M-it-Peace eine Gefahr. Ich war schon vorher Feminist und trotzdem ist es gut, das einmal erlebt zu haben.

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5 Kommentare

  1. Von den alten Nazis beim BKA zu lesen, ist ja ohnehin schon erschreckend.
    Und mir fällt mein Großvater ein (1896-1956), der Polizeihauptmann war, in der Nazizeit mehrmals Ärger bekam und schließlich wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ zwangspensioniert wurde.
    Er fand dann Arbeit als Handelsvertreter, da hieß es: Um bei Kunden anzukommen, müsste er in der Partei sei, also ist er zähneknirschend eingetreten …
    Deshalb wurde er nach den Krieg als „Mitläufer“ eingestuft und wieder nicht zum Polizeidienst zugelassen. Also so eine typische „kleine Fische – dicke Fische“-Geschichte.
    Dass er 1956 plötzlich an einen Herzinfarkt starb, hatte wohl unter anderm den Frust darüber als (einen) Grund. Ich habe ihn also nie kennengelernt, kenne die Geschichte nur aus Familienerzählungen.

  2. Mh also dieses Beispiel mit dem Mann in Frauenkleidern funktioniert nicht so richtig für das Thema Feminismus- find eich zumindest. Wenn in eine U-Bahn voller angetrunkener Fußballfans eine Frau in bauchfreiem Top und geschminkt einsteigt ruft doch das höchstwahrscheinlich ein ganz andere Reaktion hervor als ein Mann in bauchfreiem Top und geschminkt. Wahrscheinlich ist die Reaktion eher nicht: „Oh, da werde ich mal mit nem anzüglichen Spruch auf mich aufmerksam machen oder versuchen, unauffällig an den Hintern zu fassen wenn die Ubahn bremst“ wie es bei der Frau wäre sondern eher : „Was ist das für ein komischer Vogel, der durch seinen weiblichen Aufzug unsere männliche Männlichkeit infrage stellt“ oder was weniger freundliches. Kann man nicht vergleichen. Und auch nicht vergessen: Körperliche Unterlegenheit spielt bei aggressiven Begegnungen durchaus auch eine Rolle und da hat man als Durchschnittsmann vs. Durchschnittsmann sicher auch ein besseres Gefühl.

    1. Ich glaube, dass es eher ein bisschen ums Eck um Feminismus geht. Sondern zuerst eher um toxische Männlichkeit.

      Ich denke, wir sind uns einig, dass sexuelle Belästigungen und Übergriffe wenig mit Sex, sondern hauptsächlich mit Macht zu tun haben?

      Wenn ich im bauchfreien Glitter-Häkeltop in die Südkurve gehe, bekomme ich aufs Maul; je nach Ausgang des Spiels und in welchem Block ich bin kann ich sogar froh sein, wenn ichs überlebe. Das ist genau so primitive toxische Männlichkeit wie auch Frauen gegenüber.

      Kluge Männer wissen, dass Feminismus ihnen auch „nutzt“, weil dieser Dreck nicht mehr passieren würde. Und so ist das nicht primär Kampf für Gleichberechtigung, sondern Kampf gegen diesen maskulinistischen Dreck. Was dann bitte auch Gleichberechtigung aller mit sich bringen mag.

      Für Männer kann so ein Erlebnis sehr augenöffnend sein – wenn man zu sehr in einem System aufgewachsen ist, dann nimmt man es nicht mehr wahr – da hilft so ein Perspektivwechsel, um zu verstehen, wie Frauen (aber auch zB LGTBQ oder jede:x andere Wesen, was dem Männlichkeitsanspruch nicht genügt) leben.

  3. Definitiv, dem würde ich zustimmen, wenn man das Feld (übersteigerte hetreronormative Männlichkeit, die allem was vom heteronormativ Männlichen abweicht, aggressiv/abwertend begegnet) etwas weiter fasst, wie du schreibst.
    Beim ersten (etwas zu flüchtigen) Lesen des Zitats mit dem Mann im Glitzertop habe ich einfach etwas gestutzt, dass man als Mann im Frauenkleidern eben nicht eine augenöffnende Erfahrung haben kann, „wie es wirklich ist“ ist eine Frau zu sein, deshalb mein voriger Kommentar ;)
    Viele Grüße

    1. Oh Gott nein, das wäre ja sowas wie „ein Tag im Rollstuhl“ oder Gottschalk als Jimi Hendrix oder so …

Kommentare sind geschlossen.

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