20.1.2022 – ok

Gestern Abend meinte die Liebste, ich müsse vielleicht einmal raus um den ganzen Nervkram mal aus dem Kopf zu kriegen. Klang nicht dumm. Ich checkte also die Wetterlage sowie die Tidezeiten in Cuxhaven – denn das war die letzten Male immer gut zu uns gewesen – und befand, dass es so sein solle.
Und, um mich selbst zu betrügen, vergaß ich das alles sofort wieder. Denn sonst hätte ich mich ja vorgefreut und wenn ich mich vorfreue, dann bekomm ich Stress und dann wird das alles nichts, das kenn ich.
Der Plan klappte ganz hervorragend: Ich schlief für momentane Verhältnisse gut, wachte frohgemut auf, machte mich fertig, packte die Kamera ein und fuhr los.
Nun gut: Mittel hervorragend, denn ich kam in etwa bis Hamm, was in etwa eine dreiviertel Stunde von hier ist und dann bemerkte ich die aufziehende Migräne und drehte um.

Vollkommen überraschenderweise fand ich das alles nicht doof, es zog mich nicht runter und die Migräne wurden auch nicht schlimmer und ließen sich wegschlafen. Gegen Mittag war ich wach und wohlgemut. Sehr seltsam.

Da ich sonst nichts zu tun hatte, dann sogar erfolgreich die Energie in Hausputz und vor allem ein drei Mails gesteckt, die mir auf der Seele lagen. Alle drei an den selben Empfänger mit drei sehr verschiedene Themen und drei verschiedenen Tonlagen. Nicht ganz easy.
Nach der zweiten Mail schob ich eine kurze Antwort an jemand anderen dazwischen und ca fünf Sekunden später klingelte das Telefon. Ich hätte da was verschickt, was alle Virenwarner und Firewall-Dingsis Alarm schlagen ließ. Aha, mein Zertifikat ist kaputt und wenn etwas gibt, was einem gemeinen User-Computer suspekter vorkommt als eine nicht signierte Mail, dann ist es eine falsch signierte Mail.
Ja genau, die ersten beiden anderen Mails dann auch. Hurra.

Als die Liebste nach Hause kam, haben wir die Wannseekonferenz in der ZDF-Mediathek geguckt. Definitiv kein Spaß.

Gestern irgendwo (nicht wieder auffindbar) einen Thread gelesen, der mich seitdem sehr beschäftigt. Es gibt sinngemäß darum: Als wir Kinder waren, da gab es Regeln. Die waren manchmal doof, aber – und da stimme ich der Verfasserin zu – im Hinterkopf hatten wir alle irgendwie schon klar, dass diese Regeln dazu da waren, uns zu schützen. Baustelle nicht betreten, nicht mit Feuer spielen, nicht auf der Hauptstraße spielen, nicht rauchen und trinken und kiffen und so.
Die Verfasserin stellte nun die These auf, dass Kinder heute – also: pandemisch heute – erleben, dass es keine klaren Regeln gibt. Und dass die, die es gibt nicht dafür gemacht sind, sie zu schützen. Sie schloss mit der Befürchtung, dass das der Politik noch kräftig auf die Füße fallen wird. Stichwort „fehlendes Vertrauen“ und so.
Jetzt fehlen mir eigene Kinder und auch aus der Schule der Liebsten aus Gründen die Co-Erfahrungswerte, aber ich kann mir leider nur gut vorstellen, dass mindestens Jugendliche sehr genau wissen, dass Lüften und das Tragen von dicken Pullis nicht vor einer Infektion schützen. Und dass die sich ständig entschärfenden Regeln bei positiven Tests in der Klasse auch eher inkonsequent sind. Sprich: Dass sie nicht so super wichtig sind.
Ich denke nach.

Zeugs

Volker König erzählt, wie es in Schulen so aussieht:

Wir konnten vor einigen Monaten die Schulen besichtigen und der Zustand war erschreckend.
[…]
Und erst die Digitalisierung. Die geht nur mit Kabelkanälen auf dem Putz, was momentan noch reicht, weil wirklich digital nur die Beamer und die PCs der Lehrer:innen sind. Irgendwann wird es so sein, dass Schüler:innen ganz selbstverständlich Tablets oder Notebooks statt Heften und Arbeitsblättern haben. Wobei dieses „Irgendwann“ in anderen Ländern schon Alltag ist und unsere Schulen dank Corona diesbezüglich einen massiven Sprung nach vorne machen mussten. Das „Irgenwann“ wird bei uns, meiner Meinung nach, in spätestens 5, höchstens 10 Jahren sein.
Nicht nur, dass es ziemlich knifflig ist, die Endgeräte von rund 1000 Schüler:innen per WLAN so online zu bekommen, dass es keine Problemen gibt. Nein. Es wird auch Alltag sein, dass Notebook oder Tablet (oder wie die Endgeräte dann heißen mögen) einen leeren Akku haben. Man muss also am Platz in der Schule eine Stromversorgung vorhalten. Egal, ob dort eine Steckdose mit 230V oder irgendeine dann aktuelle USB-Norm oder gar induktives Laden implementiert sein werden – irgendwie muss der Strom zum Tisch kommen, und mit den gefühlt 4 Steckdosen pro Klassenraum kann man 30 Schuler:innen halt nicht versorgen.

Volker König:
Wie man in Schulen keinen Fortschritt hin bekommt

In Amerika gehört die Frage, wie viel man im Jahr macht zum Smalltalk, in Skadinavien steht online, was die Nachbarin verdient und in Deutschland kann man mit der Frage nach dem Verdienst eine fröhliche Runde komplett verstummen lassen. Teresa Bücker denkt darüber nach, was da alles dran hängt, an diesem nicht-reden über Geld:

„Die Ferienwohnung in Kitzbühel? Haben meine Eltern schon eeewig, früher war es ja auch noch gar nicht so teuer da. Diese Pseudo-Bescheidenheit ist oft nett gemeint. Tatsächlich aber lassen solche Sätze weniger Privilegierte verzweifeln. An der eigenen Arbeitskraft, dem eigenen Geschick, dem eigenen Wert. Wieso schaffen die das und ich nicht? Vielleicht sollte man lieber sagen: Ich habe eine Viertelmillion geerbt und kann mir das leisten, du halt nicht, sorry.“

Teresa Bücker auf zwischenzeit_en:
Der Garten einer guten Mutter

Christian de Vries wohnt quasi in einem Nachbarörtchen und beobachtet hier die Lokalpolitik – gerade unter Kommunikationsaspekten. Lesen Sie ruhig den Artikel zu Ende, die wahre Pointe kommt im letzten Absatz:

Die Einladung zu einem Start-Workshop zum LEADER-Projekt erreicht mich im Dezember 2021 über einen Facebook-Post in einer lokalen Facebook-Gruppe der Stadt Menden. Ich melde mich über die Web-Seite der koordinierenden WSG Wirtschaftsförderungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Menden mbH zum Workshop Mitte Dezember an, und nehme daran teil.
Es sind mehr als 60 Teilnehmerinnen an dem Workshop beteiligt. Sehr konstruktiv, sehr bunt, sehr interessante Ideen, für mich ein guter Start. Kleiner technischer Nachteil: Es gibt keine Möglichkeit für die Teilnehmer:innen, in einen direkten Austausch oder eine Diskussion zu gehen.
Interessant:
Die Pressemitteilung der Stadt Iserlohn zu diesem Termin erscheint überhaupt nicht auf der Homepage der Stadt Iserlohn. Man sagt, das da etwas schief gelaufen sei.
Es gibt keine Dankeschön-Mail an die Teilnehmerinnen im Nachklapp, keine weiteren Terminhinweise, kein Feedback.

Christian de Vries:
LEADER: Der Dank mit Floskeln

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