16.6.2023 – Heimweh?

Gestern viel Schreibtisch und da ist exakt nichts erzählenswertes passiert. Abends von einem Teil der Familie – jaja, auch wir haben Familie, mit der wir gern Zeit verbringen – zum Essen am See eingeladen worden. Bis jetzt hatten wir dort eher die Mitnahme-Pizza genutzt; das Restaurant, in dem wir gestern waren liegt nämlich etwas ab, aber hell yeah, da werden wir nochmal einkehren. Ich wollte übrigens schon immer mal einen Satz mit „einkehren“ schreiben.

Heute dann auch wieder unspektakulärer Schreibtisch, nur unterbrochen von so etwas aufregendem wie dem kurzen Abstecher zum Getränkefachgeschäft, um unsere Wasservorräte aufzufrischen.
Richtig spannend war dann eigentlich nur der Moment, als ich begriff, dass heute nicht Dienstag, sondern Freitag ist. Ich war so, so, so sehr überzeugt vom Dienstag, dass ich die Möglichkeit einer Zeitreise für durchaus plausibler hielt als die Chance, mich einfach vertan zu haben.

Naja, und als der Nachschub mit dänischen Lebensmitteln an der Tür klingelte, das war auch sehr super.

Stimmung sonst: Nachdenklich bis bedrückt. Die Nachrichten über die aktuellen Wassertemperaturen in den Weltmeeren – die in den Medien aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen kaum vorkommen – schieben mich straight in die nächste Sorge und wieder mal in die Überlegung, wann der Punkt gekommen ist – haha: der Kipp-Punkt quasi – an dem ich mein bisheriges Leben aufgeben muss, um, nur noch an mich selbst denkend, mit einem 8×8 mit Solaranlage auf dem Dach in die skandinavischen Wälder abzuhauen.

Aber nun. Heute nicht, und da kann ich ja noch mal Ihre Fragen beantworten:

Sie fragen, Christian antwortet

Am Wunsch-Doc vorbei erreichte mich per Sprachnachricht diese hochinteressante Frage:

Hast Du Heimweh?

Ich finde die Frage wirklich hochinteressant, denn während ich die Sprachnachricht hörte, entstand ein Gedanke: Was ist, wenn meine permanente Sehnsucht nach dem Meer, meine Sehnsucht nach einem Leben in Dänemark kein Fernweh, keine Sehnsucht, sondern Heimweh ist? Wenn irgendein Teil von mir seit Jahren, seit immer schon weiß, wo wir hingehören und wir es nur nicht wussten?
Die Liebste hat mal gesagt, ich wäre da oben vollkommen anders und ich fühle mich dort auch vollkommen anders. Mehr so wie ich selbst, mehr so, wie ich mich früher kannte.
Ich muss denken.
Darüber hinaus: Kaum, nein. Ich hatte aber auch jahrelang keine Gelegenheit dazu und hab in diesen Jahren hauptsächlich Fernweh aufgebaut. Bin ich dann in der Ferne, dann gibt es zwar Momente, an denen mir alles zu anstrengend ist, aber das Gefühl würde ich dann nicht „Heimweh“ nenne, sondern eher einen Fluchtreflex vor den dortigen Anstrengungen.
Soweit zum Heimweh nach Orten. Was ich habe, wenn ich alleine irgendwo bin, das ist Heimweh nach der Liebsten. Was vermutlich daran liegt, dass die ja mein wahres Zuhause ist.


Was raten Sie Menschen, die absolut keine Ahnung von Programmieren haben, als ersten Punkt, um diese verrückte digitale Welt zu verstehen?

Ich habe – Sie haben es bemerkt – sehr lange über diese Frage nachgedacht. Habe über Programmier-Schulen für Jugendliche nachgedacht, habe über die einfachste Programmiersprache nachgedacht. Und dann endlich gemerkt, dass der Zusammenhang zwischen „Verstehen der digitalen Welt“ und Programmier-Kunst in Ihrer Frage ja gar nicht gemeint sein muss. Und falls doch – sorry – ich ihn für falsch halte.
Ich glaube dass der wichtigste Blick auf diese digitale Welt eher ein soziologischer ist. Wie verhalten sich Menschen? Warum? Was für Interessen treiben sie, wie funktionieren zB Dunning-Kruger-Effekt, confirmation bias und andere kognitive Verzerrungen? Was spielen Gruppendynamiken für eine Rolle und was für eine unhinterfragte Traditionen und Glaubenssätze? Was haben Religionen und Ersatzreligionen in unsere Köpfe gepflanzt und wie funktionieren Tabus?
Auch spannend: Wie funktionieren Massenmedien und was bedeutet der Begriff des Nachrichtenwertes sowie die Notwendigkeit, Nachrichten zu monetarisieren für das, was wir lesen und hören?

Die Digitalität hat my humble opinion nach „nur“ dafür gesorgt, dass wir all diese Dinge von allen anderen Menschen viel schneller und direkter mitbekommen. Und diese Informationen dann mit unseren – immer noch im Kraal denkenden – Stammhirnen verarbeiten müssen.
Auch interessant ist sicher auch noch ein Abstecher in die Logik. Also nicht die, die dem bayrischen Politiker sagt, dass es „doch logisch ist, dass homosexuelle Menschen nicht heiraten dürfen“, sondern das echte Fachgebiet der Logik.
Zum Programmieren muss man imho erstmal nur wissen, dass Computer prinzipiell nur tun, was man ihnen sagt und dass sie im Schnitt von weißen intelligenten upper-class-Männern programmiert werden.


Ist die Welt überhaupt verrückt?

Aber ja. Vergleiche: „Per Anhalter durch die Galaxis“, 4. Band, Besuch bei Wonko dem Verständigen. Der lebt in einem Haus, dass nach klassischer Betrachtungsweise die Backsteine innen und die Tapeten außen hat. Tritt er also durch die Tür, geht er nach draußen und da er – zu Recht wie ich finde – davon ausgeht, dass er dann außerhalb des Irrenhauses ist, sind wir anderen alle drinnen. (Ja, das war ein Zirkelschluss, aber ich liebe dieses Bild so sehr)
Da das aber schon immer so war, ist das kein übermäßig großer Grund sich Sorgen zu machen.

Um aber die beiden letzten Fragen elegant zu verbinden: Lesen Sie Douglas Adams. Gehen Sie mit der wohlwollenden Grundthese an die Lektüre, dass Herr Adams diese Welt liebte wie niemand vor oder nach ihm – und nicht mit der Idee, dass es sich um Klamauk handelt. Vielleicht lesen Sie vor den fünf Bänden „Anhalter“ erst „Die letzten ihrer Art“ sowie „Lachs im Zweifel“. Dann versteht man die Welt besser, egal ob digital oder nicht und man kann sie lieben, egal ob verrückt oder nicht.

So. Und damit ist das Wunsch-Doc erstmal wieder leer. Bitte verstehen Sie diesen Satz als Handlungsaufforderung!

Sie haben Fragen? Sie wünschen sich ein Thema, über das ich mal bloggen soll?
Schreiben Sie’s auf!

Alle bisherigen Antworten finden Sie übrigens hier.

7 Kommentare

  1. Der Digitalisierungsteil ist natürlich der, auf den ich anspringe: Auf einer Tagung neulich gab es genau einen Vortrag, der sich im Zusammenhang mit Digitalisierung nicht auf Geräte, Roboter, KI und Programmiersprachen bezogen hat, sondern auf eine Unterrichtsgestaltung (mit Blick auf anwesende Politiker und durchaus global gemeint) die uns (sic!) lehrt, dass wir unsere Probleme erkennen lernen müssen und Methoden, um diese zu lösen, die u. a. Zusammenarbeit und Kommunikation bedeuten. Kurz: Er hat einfach Montessori vorgestellt, ohne deren Namen zu nennen. Das ganz ohne Power-Point- Bleiwüsten (und überhaupt ohne PP). Man war begeistert im Auditorium, fand’s aber utopisch.

    1. Ich habe zu Beginn der Pandemie, als wir alle plötzlich digitale Schulen brauchten sowohl öffentlich als auch im direkten Kontakt Schulen Unterstützung bei genau so etwas angeboten. Auf das öffentliche Angebot habe ich keine Antwort bekommen, im direkten Kontakt haben die Menschen nicht verstanden, wovon ich sprach. Niemand. Sie wollten Apps haben.

  2. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es sich um einen Fehler handelt, dass ich nicht am Meer geboren wurde. Kurz vor der Pandemie habe ich dann auch den genauen Ort gefunden, an den ich gehöre — ein „Klick“ in der Seele und ich wusste, völlig unerwartet: Hier will ich sein. Umsetzung wird nicht ganz einfach, ist aber vorgesehen.

    Vor kurzem habe ich allerdings auch feststellen können, dass Meer allein nicht reicht — es ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung.

    1. Ja, ich gehe davon aus, dass das bei ir genauso ist. Aber der Ort, dr die anderen Bddingungen erfüllt ist ja gefunden und die Person, die einen Ort zum Zuhause amht ist dabei. Bleibt also nur noch, dass morgen Abend die richtigen Lottozahlen fallen.

  3. ,,Mehr Kraaldenken zulassen!“ (Hubert Aiwanger)

    Douglas Adams ist für einer der besten Vertreter des optimistischen Nihilismus. Genau wie übrigens auch (allerdings weniger konsequent als Adams) Terry Pratchett.

  4. Digitalisierung: Ich halte Programmieren auch für den falschen Startpunkt. SO wie die Frage vielleicht gemeint war, würde ich sagen: Client-Server-Prinzip, und Protokolle, das halte ich für eine gute Grundlage.

    Darüber hinaus kommt es darauf an, was man unter Digitalisierung versteht. Für „unsere heutige Welt“ mag ich das Wort nicht haben, aber vielleicht entwickelt es sich dorthin, dann ist das so. Zumindest früher, als ich noch auf Twitter war, war das in der Bildungsszene dort ein Verpackungswort für all das, was viele eigentlich seit über hundert Jahren wollen. Gefällt mir auch nicht, macht dann auch eine Euphemismusrunde zu „Digitalität“ oder „zeitgemäß“.

    1. Programmieren muss es ja nicht unbedingt sein, aber algorithmisches Denken ist meiner Meinung nach schon wichtig, um alles ,,Digitale“ verstehen zu können.

      Programmierkenntnisse nicht eine Art Selbstermächtigung in der digitalen Welt.
      Oder klingt das jetzt zu pathetisch?

      Eigentlich bräuchten alle eine ,,Einführung in die Informatik“ (Gumm et. al) …

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