16.6.2021 – inside, outside

Heute sind 45,75% des Jahres rum – ich fand, Sie sollten das auch wissen. Außerdem ist heute der 472. März 2020.

Kann es denn kein normales Fußballspiel geben?“ fragte der Kommentator gestern Abend sinngemäß, als der Greenpeace-Mann vor dem Spiel mit seinem Fallschirm landete und damit ist vermutlich mehr über Deutschland gesagt, als ihm in dem Moment so klar war.
Nein, keine Revolution in Deutschland, wenn dabei der Rasen betreten werden muss – und der Rasen in der Bayern-Arena, der ist natürlich doppelt heilig. Keine Klimademos, wenn dafür der Religionsunterricht leidet, mag man ergänzen und schon wundert es gar nicht mehr, dass es Laschet wundert, dass dieses Klimathema auf einmal wichtig geworden ist im letzten Jahr. Denn Menschen, die den Rasen betreten, die den Unterricht schwänzen, denen hört man nicht zu hierzulande.

Am Schreibtisch als erstes Mal ein Angebot geschrieben. Ich war – s.a. „doofes Telefonat“ gestern – etwas spät dran und wollte das gern vom Tisch haben. Wenn Sie mögen, drücken Sie die Daumen, das würde ein sehr schönes Projekt werden.

Dann ein Videocall, über ein Konzept sprechen. Guter Videocall.

Ein paar Dinge geregelt, ein paar Pixel geschoben, ein ins Stocken gekommene Projekt mit freundlicher Nachfrage wieder belebt; sonst keine besonderen Vorkommnisse, keine Prokrastinationsanfälle, keine Konzentrationslücken und das macht mich sehr froh.

Später am Nachmittag fuhren wir in ein Café, setzen uns davor, aßen etwas und das war alles sehr aufregend.

Wobei „sehr aufregend“ bedeutet – und ich sage das, bevor Sie auf die lustige Idee kommen, ich käme aber sehr prima mit dieser „Rückkehr zum Normalen“ zurecht – dass ich mich danach eine Stunde ins dunkle Zimmer eingeschlossen und meine Panik veratmet habe. Im Endeffekt mache ich da nämlich jetzt gerade eine klassische Konfrontationstherapie mit mir selbst. Ich präge mich quasi wieder neu darauf, dass mir Menschen und draußen und so nichts ausmachen müssen. Und das kostet überraschenderweise Kraft.

Something completely different, ohne Zusammenhang, aber es erfreut mich täglich:

Je nach Auslegung des Begriffes bewundere ich sehr viele oder sehr wenige Menschen. Will sagen: Eigentlich neige ich nicht dazu, Menschen so sehr auf ein Podest zu stellen – andererseits kann man natürlich an den meisten etwas bewundernswertes finden.
Wen ich aber wirklich bewundere: Unsere Nachbarin. Regelmäßig sitzt sie draußen auf den Stufen und trinkt Kaffee und das klingt so unspektakulär, aber Sie müssten den Grad an Entspannung fühlen, den sie dabei ausströmt. Sie wirkt, als könnte in den zehn Minuten, die sie mindestens jeden Tag da findet, hinter ihr das Haus explodieren. Und dann säße sie da, mit dem Kaffee in der Hand auf der übrig gebliebenen Stufe und schaute in die Welt.
Ich liebe das.

Musik des Tages: Anna Ternheim hat ihr 2019er Album „A Space For Lost Time“ als extended Version und mit vielen Gästen noch einmal aufgenommen. Unter anderem mit dem wunderbaren Helgi Jonsson, Tinas Mann, beim „Song Walk Your Own Way“. And it’s much more than beautiful.

Zeugs

Die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) arbeiten an der Schnittstelle zwischen Staat, Politik, Bildungsinstitutionen, Wissenschaft und Medien. Ihr Wirkungsspektrum umfasst die außerschulische politische Jugend- und Erwachsenenbildung, wie auch die politische Bildung in der Schule“ erklärt die Wikipedia. Eine Einrichtung, der ich seit Jahren sehr vertraue und bei der ich gerne auch mal Hefte bestellt habe, möchte ich ergänzen.

Schon im Januar änderte die BPB einen Text, weil ein Shitstorm aus der rechten Ecke nicht damit leben konnte, dass dort etwas anderes stand als „Linke sind aber (auch) schlimm(er)“. Beteiligt war neben AFD-Politikern und Twitter-Bodensatz natürlich auch die Bild.
Die taz hat weiter recherchiert und jetzt wohl herausgefunden, dass die Sache zwischendurch wohl doch auch mal bei Innenminister Seehofer auf dem Tisch lag und wie sehr die Bild dort Politik gemacht hat:

Aus dieser Kommunikation geht einerseits hervor, welch zentrale Rolle die Bild-Zeitung und der Bundestagsabgeordnete Thorsten Frei, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Vorsitzender des bpb-Kuratoriums, beim Eingriff des BMI gespielt haben.
Andererseits ist der behördeninternen Kommunikation zu entnehmen, dass die Hausleitung, anders als zunächst behauptet, doch entscheidend in den Vorgang eingebunden gewesen ist – das BMI hatte im Februar gegenüber der taz die Frage verneint, ob Bundesinnenminister Horst Seehofer oder zuständige Staatssekretäre in die Überarbeitung des Einleitungstextes eingebunden gewesen seien.
Das Ministerium hat also gelogen, um das Ausmaß dieses Vorgangs zu verschleiern, […] Aktiv beteiligt an dem Vorgang war, das geht aus dem Schriftverkehr hervor, das Ministerbüro von Horst Seehofer, eingebunden waren zudem Staatssekretäre.

Volkan Agar auf taz.de: Bundeszentrale für politische Bildung: Seehofers Haus diktierte Definition

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8 Kommentare

  1. Ich finde, es ist schon ein Unterschied, ob man den Religionsunterricht verpasst oder Leute im Gefahr bringt und verletzt.

  2. Zu vorher: nein, natürlich nicht, ich bezog mich auf den beknackten Greenpeace-Stunt. (Der Fussballrasen ist mir egal, obwohl wir jetzt ja auch wissen, wie sehr man sich auf unebenem Boden beim Fussballspielen verletzen kann, aber allein der Plan, in ein halbwegs volle Stadium von oben etwas reinzuwerfen, ist mehr als grob fahrlässig, und was dann rauskam –> Menschen mit Kopfverletzung und zwar nicht nur der Springer, noch mehr. Deswegen finde ich, dass der Vergleich mit FFF und das Abheben auf den heiligen Rasen hier sehr unfair ist. Greenpeace hat weder sich noch der Sache damit einen Gefallen getan.

    1. Nein, natürlich hat sich Greenpeace mit dieser Aktion* keinen Gefallen getan. Worüber ich nur nachdenke:
      Wenn Greenpeace einmal Mist macht, pöbelt ein Sauerländer Politiker mit Kanzler-Hybris, man müsse sie verbieten.
      Wenn Kinder auf die Straße gehen, wird ihnen vorgeworfen, man höre ihnen nicht zu, wenn sie dafür schwänzen.
      Wenn die privilegierte, regierende CDU so richtig Scheiße machen, dann … naja, dann nichts.
      Und das saugt gewaltig und da will mein Vergleich hin. Nicht in der Tat, sondern in der Rezeption.

      Ich möchte mich so gerne _nicht_ darüber unterhalten, warum das doof war von Greenpeace, sondern darüber, warum so extreme Aktionen überhaupt nötig sind und worauf sie aufmerksam machen.

      *) Ich wusste lange nicht, wie ich zu den Aktionen von Greenpeace überhaupt stehe. Aber nach George Floyds Tod hat irgendwer gesagt, er würde ja an sich gut finden, dass die schwarzen Menschen da jetzt protestierten, aber warum sie denn so laut und gewalttätig sein müssten. Worauf die schwarze Community konterte, sie hätten es jetzt seit ca 100 Jahren freundlich versucht und es habe sich halt nichts geändert.
      Übertragen macht das in meinen Augen Greenpeace-Aktionen durchaus sinnvoll.

Kommentare sind geschlossen.

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