16.1.2020 – Selbstgefälligkeit

Beinahe von einer freundlichen Terminverwirrung geweckt worden, nachdem der Schlaf erst spät kam. Allerbeste Grüße an die freundliche Terminverwirrung, das war dann das bestmögliche Tagesstart-Telefonat!

Dann Briefing-Vormittag. Das ist die euphemistische Umschreibung für „und alle wollten was von mir.“ „Alle“ ist in diesem Zusammenhang die euphemistische Umschreibung für all diejenigen, denen plötzlich einfiel, dass sie ja gestern etwas brauchten. „Was“ ist die freundliche Umschreibung für Dinge, die wir vor Monaten hätten klären können.

Anmerkung. Es gilt weiterhin die Grundregel: Ich benutze nie dieses Blog, um anwesenden Leserinnen einen reinzuwürgen.

Viel Kleinkram abgearbeitet. Aus Versehen den Song fertiggestellt, den ich aus Versehen vor vier Tagen angefangen habe. Falls jemand ein Stück düstere Filmmusik braucht, die in der Mitte in einen leicht lateinamerikanischen Rhythmus kippt – gerne melden.

Twitter aufgemacht. Aus Versehen festgelesen. Voll in den Sog geraten. Mich aufgeregt.
Wissen Sie, was mich wirklich anstrengt? Selbstgefälligkeit. Egal, ob es um Elektroautos, um Essen, um besondere Erziehungsformen, um Karriere, um Beziehungen, um … um wirklich vollkommen egal was geht – welchen Sinn hat es, sich auf ein trending Topic zu setzen und dann „ich mach das aber schon immer so“ zu rufen?
Also außer zu Ausdruck bringen zu wollen „ich bin besser!“?
Mal abgesehen davon, dass „immer“ auch selten mehr als ein paar Monate, bestenfalls Jahre ist – also eigentlich meist heißen müsste: „immer, seit ich letztens drüber nachgedacht habe
Die gleichen Menschen, die dicke Autos, Parkplätze in der ersten Reihe, fette Uhren und vollverglaste Eckbüros als Insignien der Macht verachten, tragen ihre Ernährung, Ihre Erziehungsmethoden, oder ihre bevorzugten Beförderungsmittel in genau der gleichen Art und Weise vor sich her, wie der alte weiße Mann seine Breitling und seine Jaguarschlüssel.

Dabei ist es vollkommen egal, ob es Q7 oder Fahrrad, Nanny & Karriere oder 24/7 Attachment-Parenting, Kobe oder Veggie-Bowl ist – es bleibt dabei: Wenn ich mir darauf einen runterhole und mich deswegen besser fühle als andere, dann ist und bleibt es einfach schlechter Charakter.

Peter Gabriel, den ich für einen wirklich klugen Menschen halte, hat mal gesagt: „Das Problem beginnt in dem Moment, wenn wir beginnen, zwischen «ihnen» und «uns» zu unterscheiden.“ Abenteuerlicherweise ist damit nicht nur jede gemeint, die uns gerade gut in den Kram passt, sondern alle.

Wir schauen ja gerade „The Good Place“. Sorry, ich muss jetzt spoilern: Die Protagonisten gehen irgendwann auf die Suche nach dem perfekten guten Menschen, weil sie merken, dass seit Jahrhunderten niemand mehr in den Himmel gekommen ist. Und lernen: Das liegt ganz einfach daran, das es nicht mehr möglich ist, „gut“ zu leben.
Wer an der einen Stelle achtsam und vielleicht supi plastikfrei und vegan lebt, hat vielleicht einfach Pech an der anderen mit dem ÖPNV und muss ein Auto haben. Und so weiter.
Aber wenn wir uns schon wegen solchem Kram ständig über andere erheben müssen, dann bleibt verflixt wenig Zeit, sich um die großen Probleme zu kümmern.

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