15.9.2023 – Couchdays revisited

Geschlafen, wohlgelaunt aufgestanden, gearbeitet. Prima. Nach drei Stunden quasi umgefallen wie zu schlimmsten Long-Covid-Zeiten. Der Körper fühlte sich an wie nach einem Wochenende und einem Marathon und das ließ sich weder durch Koffein noch Bewegung noch Schlaf richten.
„Akzeptanz, Herr Fischer?!“ — „Akzeptanz ist etwas schwer, wenn meine Frau derweil alleine den Haushalt und unser ganzes Leben stemmt und ich auf der Couch liege“ — „Ja, das verstehe ich“ — (Stille)
Zu oft geführt, diesen Dialog.

Weiter gehts nach dem Bild – heute vor zwei Jahren aufgenommen. Heute vor einem Jahr war also auch schon nix los.

Zeugs

Formschub schreibt übers Reisen, übers wo-sein, zu-Gastsein und über sich-zuhause-fühlen. Ich bin zwar deutlich weniger rumgekommen, schrieb ja letztens schon mal darüber, ob die Sehnsucht nach Dänemark vielleicht Heimweh ist und habe das sehr gern gelesen:

In Skandinavien und insbesondere in Schweden ist das etwas anders. Wenn ich hier bin, habe ich das Gefühl, ich sei bereits vor meinem allerersten Besuch schon einmal hier gewesen und auch, als wäre ich den Menschen hier auf seltsame Weise verbunden. Wenn ich alleine durch den Wald gehe, ist es zwar still, aber ich höre die Bäume und Felsen flüstern »willkommen zurück!«. Der Wind, durch die Bäume streicht oder das Rauschen eines kleinen Waldbaches sagen mir »da bist du ja wieder!«. Ich fühle mich nicht wie in einem fremden Land, sondern wie in einem Ur-Zuhause, wandere nicht als Beschauer umher, sondern bin an einem Ort angekommen, der sich anfühlt, als gehörte ich dorthin. Es fühlt sich an wie ein Einrasten, als spürte ich ein »Klick« und fügte mich an einem Platz ein, der genau der richtige für mich ist.
Mich würde interessieren, ob das nur mir so geht oder ob auch andere an manchen Orten, egal ob im Ausland oder in »ihrem« Inland, ein ähnliches Gefühl oder vergleichbare Unterschiede bei der Wahrnehmung ihrer Reiseziele haben.

formschub:
Hier

Um die Frage zu beantworten: Ja, bei mir ist das In Dänemark sehr genau so: Ich fühle mich, als sollte ich da sein. Ich bin dort ein anderer Mensch, sagt die Liebste manchmal und ich selbst blicke dort auf mich und merke: Ich bin dort der Mensch, den ich kannte, bevor mir das Leben passierte.
Als wäre von der Landschaft über die Orte, die Architektur, den Stil, das Design bis zu Menschen dort, das der Ort wo ich herkomme.


Aber apropos „Dänemark“: Dort gibt es ein Gesetz, das es erlaubt, Autofahrerinnen das Auto abzunehmen, wenn sie nicht nur zu schnell, sondern wahnsinnig zu schnell erwischt werden. Ich finde das ganz vernünftig und muss ehrlich gesagt etwas grinsen, dass es jetzt deutsche Touris erwischt hat. Aber 107 statt 50 ist ja auch ’ne Ansage.
Auf Instagram die Geschichte dazu.


Aber apropos „Auto“: Wir leben ja alle in dem großen Ambiguitätstoleranz-Experiment zwischen dem Wissen, dass uns unsere Telefone zu Tode ausspionieren und wir sie aber irgendwie brauchen.
Aber keine Sorge, Telefone sind out. Heute spioniert man mit dem Auto:

Während wir uns Sorgen darüber zu machen, dass unsere vernetzten Türklingeln und Smartwatches uns ausspionieren könnten, ist die Automobilindustrie still, leise und im großen Stil ins Datengeschäft eingestiegen. Wie? Indem sie ihre Fahrzeuge zu datenhungrigen Überwachungsapparaten gemacht hat, die dank modernstem Chichi und Schnickschnack nie da gewesene Möglichkeiten haben, Sie zu beobachten, Ihnen zuzuhören und Informationen darüber zu sammeln, was Sie in Ihrem Auto tun und wohin Sie unterwegs sind.
[…]
Nissan ist auf dem vorletzten Platz gelandet, weil das Unternehmen Daten aus den bedenklichsten Kategorien sammelt, die uns je untergekommen sind. Es lohnt sich, den kompletten Bericht zu lesen, daher nur so viel: Ihre „sexuelle Aktivität“ gehört dazu. Um Nissan in nichts nachzustehen, erwähnt auch Kia in seiner Datenschutzerklärung, dass das Unternehmen Daten über Ihr „Sexualleben“ sammeln kann. Oh, und sechs Autohersteller geben an, dass sie Ihre „genetischen Informationen“ oder „genetischen Merkmale“ erfassen können.

mozilla Foundation:
Es ist offiziell: Autos sind in puncto Datenschutz die übelste Produktkategorie, die wir je getestet haben

An dem elften September – jaja, ich gehe etwas nach – war ich in unserer Agentur und wollte früh nach Hause. Quasi im Losgehen sagte jemand „Da ist ein Flugzeug ins WTC geflogen“ und das Bild in meinem Kopf war das einer Cesna, die von den Winden über New York weg geblasen worden war und ich bedauerte kurz dieses Unglück – da waren doch bestimmt Menschen verletzt worden.
Dann fuhr ich nach Hause, dort begriff ich. Wir saßen vor Fernsehen und SPON, die ihre Seiten auf reinen Textbetrieb umgestellt hatten, um Daten zu sparen. Aber nachmittags war eine Ratssitzung, da musste die Liebste hin und auf dem Weg sprach ein Freund gehässig „Da sehen die Amis mal, wie sich das anfühlt“ Es war mir danach nicht mehr möglich, ihn als Freund anzusehen.
Natürlich wissen auch Sie, was sie an diesem Nachmittag getan haben.
Öffnet man aber die Büchse der Pandora, die Welt nicht nur aus der sogenannten westeuropäischen Sicht zu sehen, dann – Überraschung! – gibt es andere Länder, deren Geschichte mit ähnlich einschneidenden Ereignissen verknüpft sind. Oder der elfte September ist dort nicht der Tag, an dem „wir“ angegriffen wurden, sondern an dem „wir“ alle zu Terroristen gemacht wurden.

Im September 2001 war ich zehn Jahre alt und besuchte wie jeden Tag nach der Schule meine Freundin Lejla. Wir hörten ihre Mutter im Flur des Plattenbaus mit einem Nachbarn reden: In New York seien viele Menschen gestorben, sagte sie. Also ging ich nach Hause, um den Fernseher anzuschalten und die Nachrichten zu sehen. Vorbei an Minenfeldern, blutroten Bombenkratern, an im Angriffskrieg zerstörten Gebäuden.
Der Anblick war für mich normal. Doch normal war an diesem Anblick nichts. Die Stadt, in der ich aufwuchs, heißt Sarajevo. In diesen Straßen wurden meine Nachbarn vergewaltigt, gefoltert und ermordet, nur weil sie bosnische Muslime waren. Ich dachte damals, wir hätten bereits das Maximum an Hass und Gewalt überlebt, es könne ab jetzt immer nur besser werden. Naives Kind.

Melina Borčak auf krautreporter.de:
Der 11. September hat die Welt verändert. Den 11. Juli müsst ihr erstmal googeln

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