Long time no see, my little blog; long time no see auch Sie, liebe Leserinnen. Die internationale Blog-Konvention verbietet ja übrigens bereits seit 2007 solche Einleitungssätze in denen man darauf anspielt, wie lang man nichts mehr geschrieben hat – aber ich war ja schon vor 2007 schon da und was kümmert mich diese Konvention? Als die aufkam, war mein erstes Blog schon aus dem Kindergarten raus.
Es ist nun einfach so, dass hier nichts passiert. Auch beim Tagebuchbloggen – gern als banal bezeichnet – finde ich für mich ja: die Dinge über die ich schreibe, sollten in einem größeren Zusammenhang stehen und ehrlich gesagt ist hier in den letzten Tagen weder größeres noch irgendein Zusammenhang passiert. Das Weltgeschehen ist zu groß, der Alltag zu klein – ich meine: Ich hab am Schreibtisch ein mittelschöne Site eins zu eins nachgebaut, die jemand bei wix gebaut hatte. Mit einigem, was der Baukasten hergab, dafür mit etwas weniger Ahnung von Layout-Grundsätzen oder Typographie oder Usability und was soll ich denn bitte darüber ein paar Tage lang erzählen, während draußen die Welt brennt?
Heute waren wir aber dann mal draußen. Aus Gründen gab es ein bisschen Kaff-Eskapismus zu begehen und ich erinnerte mich, dass in Dortmund das Museum am Ostwall vor 14 Jahren ins Dortmunder U umgezogen war und es deswegen langsam mal Zeit wäre, die neuen Örtlichkeiten zu begucken.
Es war … interessant.
Zuerst mal hatten wir natürlich erstmal vollkommen übersehen, dass heute in Dortmund eines dieser EM-Fußballspiele statt findet und die Stadt ein bisschen nervös flirrte. Am U begrüßten uns zwei freundliche junge Männer mit „Love“ & „Hate“-Tattoo auf dem Fingern und wollten erstmal Taschenkontrolle machen, bevor wir das Haus betreten durften. Wie fast immer hatten diese Jungs deutlich zu wenig Humor und fast ebenso gute Kommunikations-Qualitäten und so waren wir schon kurz irritiert, bevor wir drin waren. Der Bau machte bei mir spontan sehr gute 8 von 10 Punkten auf der Dänemark-Vibes-Skala, dann aber kam die B-Note und … ach naja.
- Hallo, zwei Erwachsene bitte
- Wohin wollen die zwei Erwachsenen denn?
- Ich bin gar nicht vorbereitet, was können wir denn aktuell bei Ihnen sehen?
- Also es gibt die ständige Ausstellung …
- auf jeden Fall!
- … und die Dachterrasse …
- Auch die, natürlich!
- … und dann haben wir mehrere Cafés …
- … äh? Ja, klar, die auch!
- … und die Sonderausstellung.
- Ah, was gibts da zu sehen?
- Das lesen Sie am besten da hinten.
- Äh ok. Ach, wir wollen überall rein.
- Ja, das ist alles umsonst, bis auf die Sonderausstellung.
- Ach so? Ach fein. Dann also einmal die Sonderausstellung für zwei Erwachsene.
- Die müssten Sie dann bitte im sechten Stock direkt zahlen, denn unsere Kasse ist kaputt.
Na gut, die Pointe nach dem Dialog kam unerwartet. Wir dackelten los.
Das Haus ist wirklich toll, aber schlecht ausgeschildert, genauer: es ist ok ausgeschildert aber wie immer wenn Architekten etwas geplant haben und nach zehn Jahre nicht mehr so jede darauf achtet, dann stehen auf einmal Schilder vor den Schildern und dann findet man nix mehr. Im gleichen Haus befinden sich eine Abteilung der TU sowie etwas , was sich „Institutionen“ nennt und ich konnte mir nur vorstellen, dass dort wegen des generischen, langweiligen Namens nie jemand hin geht und sich dort heimlich der Eingang zu Dortmunder Dependance der Men In Black befindet.
Oder dass das Gesamtkonzept etwas verkopft ist – ich komme auf diesen Gedanken zurück. Die Rolltreppen waren größtenteils heute kaputt – eine stoppte sogar mit uns mitten drauf! – und das Museum ist im vierten und fünften Stock. Eingang aber nur im fünften, wie wir dann zum Glück im Aufzug erfuhren.
Am Eingang des Museums saßen drei Menschen quatschend hinterm Tresen und sprangen auf, als wir reinkamen – sprangen so erwischt auf, dass ich lachen musste und jetzt Großes erwartete. Nein. Nichts großes, nicht mal ein echtes „Hallo“.
Die Ausstellung. Auf den ersten Blick erstmal super, im ersten Blick viel Objekte im Raum, viel Kunst im Alltäglichen, Stühle, Lampen, Teppich – das mochte ich gern. Wir unterhielten uns über darüber, wie faszinierend es ist, wenn Kunst irgendwann einmal so gestaltet wurde, dass sie vom Betrachtenden angefasst, benutzt, umgestaltet werden sollte – und heute, trotz der deutlichen Aufforderung, sich darauf zu setzen, damit zu spielen, damit whatever zu tun niemand mehr traut, weil drumherum so eine Museums-Atmosphäre ist und die „Benutz mich!“-Beschilderung ad absurdum führt.
Ich muss, bevor ich weiter schreibe, erwähnen, dass ich gut kuratierte und erklärte Kunst mag. Ich mag gern mal lesen und ich mag sehr, wenn mich ein thematischer Faden durch ein Museum oder wenigstens durch eine Abteilung führt – und dieser Faden fehlte mir zunächst.
Hier ein bisschen Fluxus, da ein paar Expressionisten in Petersburger Hängung, dann eine Wand mit „naiver“ Kunst gegenüber, dann ein Raum mit Fotos aus dem Archiv und von anderen Arbeitsplätzen der Museums-Menschen – und dazwischen immer wieder Skulpturen oder Fluxus-Dinger. Und immer wieder Texte darüber, wie das Museum gerade versucht, das alles im Jahr 2024 unter zu bringen und sich selbst dort zu verorten. Wie sie gerade versuchen, den eurozentrierten, männlich weißen Kunstbegriff zu erweitern. Welche Worte sie gerade aus ihren Texten löschen und warum. Dass man jetzt trotzdem etwas sieht, was zumindest diskutabel ist.
Diese Auseinandersetzung fand ich gut und spannend und auf einmal überkam mich das Gefühl, dass diese Auseinandersetzung der rote Faden war. Ein Schelm, wer „Museums-zentriert statt eurozentriert“ sagt, aber Kunst ist ja auch Entwicklung und Transparenz find ich eh immer gut.
Dummerweise wollte ich heute Bilder gucken und war etwas enttäuscht. Und während ich noch überlegte, ob ich das als Ansatz richtig verstand, ob daher mein Gefühl von „alles zu viel, alles zu dicht, alles zu ungeordnet“ kam, betraten wir einen Raum, in dem viele PostIts an der Wand hingen. In den letzten Wochen hatte das Museum vor allem Jugendgruppen gefragt, wie sie die Texte, wie sie die Schilder, wie sie die Erklärungen gefunden hatten. Und da hingen also etwa 300 Zettelchen auf denen grob zusammen gefasst hauptsächlich „was für Schilder?“, „zu klein“ und „zu unverständlich“ stand. Und natürlich mittendrin ein Zettelchen mit Lehrerinnenhandschrift, die das „unvergleichliche Kunst-Erlebnis“ lobte.
Und ich dachte: Ich bin ein alter weißer Mann der gern und halbwegs oft ins Museum geht und „Dinger“ statt „Objekte“ sagt – ich darf hier halb enttäuscht raus gehen. Kein Problem.
Aber dieser Raum war ein deutlicher Hinweis darauf, dass das aktuelle Konzept für die, die Kunst noch lernen können, nicht so richtig gut funktioniert.
Wir wollten dann auch ein Zettelchen schreiben, aber die Box war leer und dann mussten wir sehr lachen und sind gegangen.
Als wir in der Tiefgarage zahlen wollten, stand eine Frau mit laufendem Motor direkt vor dem Automaten. Wann hat das eigentlich aufgehört, dass man den Motor ausmacht, wenn man aus dem Auto aussteigt?
Jetzt Fußball. Fußball ohne Frau Mellcolm auf Twitter ist auch höchstens halb so schön.
Danke fürs Teilhaben und Dabei-sein. Wenn Sie wollen:
Hier können Sie mir ’ne Mark in die virtuelle Kaffeekasse werfen,
Oder – wenn Ihnen Geld zu unpersönlich ist – hier ist meine Wishlist. Sie finden dort formschöne und Freude-spendende Geschenke für wenige oder auch sehr viele Euro.