12.11.2020 – Captain, wir haben strukturelle Probleme auf den Decks eins bis siebzehn

Ja richtig, am Montag stand hier kurz ein Artikel und den habe ich dann wieder gelöscht. Aus Gründen, die mit Ihnen nichts zu tun haben, keine Sorge. Sie sind super. Alle.
Und dann war ich zwei Tage weiterhin sehr müde; unterbrochen von gelegentlichen Migränewellen und … ach ist ja auch egal. Wer muss schon arbeiten?

Der Tag heute begann mit einem sehr dynamischen Gefühl und ich dachte, es könnte der richtige Zeitpunkt sein, mir endlich meine Grippeimpfung zu holen. Ich fuhr also 25 Minuten zu Frau Doktor, stand 15 Minuten vor der Praxis und erfuhr dann, der Impfstoff sei leider aus. Aber nächste Woche sei bestimmt wieder welcher da.
Das dynamische Gefühl ließ etwas nach und ich fuhr – die Sitzheizung auf drei – wieder nach Hause.

Eingekauft. Der Luxus, donnerstagsmittags einkaufen zu gehen – also, wenn in dem Laden wirklich niemand sonst ist – der ist gar nicht hoch genug zu schätzen.
Im Gang vor den Getränken von einer Gothicfrau (Emofrau?) weggepogt worden und spontan in ihre konsequent schlechte Laue verliebt gewesen. Ich hatte nie eine echte Gothic-Phase aber während ich mich Punk fühlte, hab ich bestimmt genauso gewirkt.

Überlegt, worüber es was aussagt, dass das eine Regal mit Klopapier komplett leer ist, aber im Regal gegenüber die andere Marke mitnahmebereit in ausreichender Menge steht. Naja, mir solls Recht sein.

Mich wieder darüber gefreut, dass ausgerechnet der am ranzigsten wirkende Getränkemarkt der Stadt am klarsten über sein Hygienekonzept informiert und es auch am besten durchsetzt. Und eh der freundlichste Getränkemarkt der Stadt ist, deswegen fahr ich da ja hin.

Schreibtisch; versucht, ein bisschen Struktur in die nächsten Tage zu bringen. In viele WordPress reingeschaut.

Kann jemand von Ihnen WordPress-PlugIns programmieren? Ich kann es leider nicht und ich habe eine Idee.

Die Buchhaltung bis zum heutigen Tage ergänzt und zur Steuerberaterin gebracht – sie kann dann anhand der Zahlen festellen, ob ich vielleicht Anspruch auf eines der aktuellen Hilspakete habe – besser als wenn sie schätzen müsste.

Bei der Gelegenheit erfahren, dass ich noch länger auf Info warten muss, was mit den 9000,- Soforthilfe aus März/April passieren darf und was nicht. Im Ministerium kommt man wohl nicht hinterher und die zuletzt genannte Frist bis zum 30.11. ist wieder gekippt.
In other words: Wir haben dann vor über einem halben Jahr eine solide Menge Geld überwiesen bekommen – konkret ca zwei Drittel des Geldes, der für Menschen in meinem und Artverwandten Berufen, die in der Künstlersozialkasse erfasst werden als Jahressumsatz gilt – wirklich solide also. Wir wissen aber ein halbes Jahr später immer noch nicht, wofür wir dieses Geld ausgeben dürfen. „Hätten ausgeben dürfen“ muss es natürlich für viele heißen, deren Geschäft einfach nicht mehr lief – und da sist noch schlimmer.
Lieber Staat, das ist shaize, aber so richtig.
Und ich bin noch in der glücklichen Postion, dass das alles aus diversen Gründen für mich nicht wirklich existenzbedrohend ist.

Aber ich verstehe, wenn man in Jobs unterwegs ist, wo diese Soforthilfe einem Monatslohn entspricht, dann hat man da sicher ein entspannteres Verhältnis.

In der Dämmerung noch Café Audi. Schöner Blick in den Sonnenuntergang.

Gestern Abend eine Doku über SpaceX gesehen und gedacht: „Moment mal? Die investieren unfassbar Kohle, um auf einen Planeten zu kommen – weil wir dabei sind den hier in einen Zustand zu bringen, die der, auf den wir flüchten wollen jetzt schon hat?“ Hmmmm …

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Ausnahmsweise mal Werbung: Ihnen ist bestimmt schon aufgefallen, dass bei den Links, die ich immer so teile öfter was von den Krautreportern dabei ist. Ich schätze die sehr, denn ich finde, sie werden ihrem Anspruch „Verstehe die Zusammenhänge“ sehr gerecht. Morgens bekomme ich den Newsletter, den mir Menschen denen ich da inzwischen inhaltlich sehr vertraue zusammengestellt haben und dann weiß ich was gerade los ist. Mit Infos, etwas Hintergrund und Links zu den anderen, die über das jeweilige Thema auch schreiben. Mir spart das die Nachrichtensendungen und das hochgejazzte Gebrülle auf Twitter und ich fühle mich bestens informiert.

Und weil die Krautreporter gerade ein paar neue Abonennten brauchen, weise ich an dieser Stelle gern darauf hin, dass sie ein werbefreies, unabhängiges Mitglieder-Modell fahren und dass man sehr leicht Mitglied werden kann. Mitglieder sind übrigens sowas wie Leserinnen, nur geiler – nee, im Ernst: Das ist alles hier sehr gut erklärt.

Überzeugt? Dann hier lang und Mitglied werden.

Werbeblock Ende


Wenn Sie mit dem Begriff Chord-Progression etwas anfangen können, dann könnte es auch Ihnen Spaß machen, wenn Rick Beato sich die aktuellen* Charts anhört.
BTW: Haben Sie letztens #TVOG gesehen, als Nico Santos in circa dreißig Sekunden etwas „komponierte“, was nach einem sehr akzeptablen Schlager mit Hitpotential klang? Das war ähnlich lustig.
Obwohl ich Nico durchaus schätze, hat das nicht seine Genialität bewiesen, sondern die Einfachheit, Kalkulierbarkeit und Vorhersehbarkeit aktueller Schlagermusik, ist klar, ne?
*) Ok, acht Wochen her, aber: Who cares?

Ich schlingere mit meinem aktuellen Musikhören derweil immer weiter an der Grenze zwischen strengem Klavier-Jazz und Klassik rum.
Letztens mal in Zwölftonmusik reingehört, aber da bin ich noch nicht.


Vorbemerkung: Ich bin im Moment mit diversen verschiedenen Schulen in Kontakt, teils direkt, teils über Eck, keine davon ist die der Liebsten, es ist überhaupt nicht mal eine hier aus dem Ort dabei. Falls hier also Mendenerinnen mitlesen: Nein, ich spreche hier nicht über eine Schule zu der Sie Ihren Nachwuchs schicken.

Aber durch diese Kontakte denke ich weiter viel über diese Digitalisierung nach.

Da ist zum Beispiel das Kollegium, das nach zwei Wochen Bedenkzeit beschlossen hat, dass es keine eigenen dienstlichen E-Mail-Adressen haben möchte. Außerdem darf ja Teams jetzt doch auch im nächsten Jahr weiter benutzt werden, da braucht man das doch auch gar nicht. Ob man dann Teams auch außerhalb des Kollegiums nutzen darf, konnte auf meine Nachfrage nicht beantwortet werden.

Da sind die Kolleginnen, die mühevoll ihr Arbeitszimmer umstellen und die Kamera auf eine weiße Wand ausrichten, weil nicht einmal das Kollegium sehen soll, wie sie denn wohnen und arbeiten. Mit Schülerinnen möchten sie über Video gar nicht sprechen, denn sie haben Angst, dass die dann Screenshots machen und in diesem Internet verbreiten.

Da ist Sassi, die mit Handschuhen in den Unterricht geht um weiter für ihre Kinder da zu sein und die ihre Freizeit opfert, um ihren Job als Medienbeauftragte zu erfüllen.

Da ist das Kollegium das schnell war und aus dem großen Geldtopf fix eigene Endgeräte für das Kollegium bestellt hat. Die Wahl fiel auf schicke Tablets und jetzt wo die da sind merken sie, dass sie damit ja gar nicht so arbeiten können wie mit Laptops und dass die CD-ROMs mit den Vorlagen auch nirgends reingsteckt werden können und jetzt müssen sie halt bitte doch auf ihren privaten Rechnern weiter arbeiten. Bedürftige Schülerinnen und Schüler haben übrigens auch Geräte bekommen, dürfen die aber nicht mit nach Hause nehmen, sagt der Schulträger.

Da ist immer wieder so viel großartiges im #Twitterlehrerzimmer.

Da sind die beiden von 3-2-1-Corona und die rechnen vor, dass die Schulen nicht schnell genug angebunden sind, um vernünftig zu arbeiten. Es ist keine schwere Rechnung, sie lautet: Welche Zahl ist größer – 10 oder 40? 10 Mbit/s sit die Geschwindigkeit, mitd er die Schule angebunden ist und 30-40Mbit/s ist die Geschwindigkeit, die die Schulbehörde für zu Hause empfiehlt.

Da ist das Kollegium, das beschließt, dass es kein Logineo braucht. Macht wenig, denn die, die schon reingeguckt habe wissen, dass es eh nur einen Bruchteil der Funktionen mitbringt, die man aktuell bräuchte.

Da ist der Datenschutzbeauftragte der Stadt – nach eigener Aussage übrigens ehemaliger Lehrer der das nebenbei macht – der sich anschaut, was engagierte Kollegien hoch gezogen haben und der das mit einem einfachen „darf so nicht“ nach diversen Wochen harter Arbeit wieder einreißt.

Was ich sagen will: Mich verzweifelt einfach, wie viel Energie da gerade einfach vor die wand gefahren wird.

Ach ja: Und da ist es vollkommen unüblich, dass externe Hilfe hinzugeholt wird.

Danke fürs Teilhaben und Dabei-sein. Wenn Sie wollen:
Hier können Sie mir ’ne Mark in die virtuelle Kaffeekasse werfen,
Oder – wenn Ihnen Geld zu unpersönlich ist – hier ist meine Wishlist. Sie finden dort formschöne und Freude-spendende Geschenke für wenige oder auch sehr viele Euro.

7 Kommentare

  1. Danke Dir für die Werbung, ich habe mir jetzt endlich einen Ruck gegeben und mich bei den Krautreportern angemeldet! hatte das schon oft vor, aber irgendwie hat der kleine Schubs gefehlt bisher.
    Und bei der Gelegenheit auch vielen Dank für Deine Artikel hier im Blog, ich lese seit langem regelmäßig mit ohne schon mal danke gesagt zu haben… Die Themen über die Du hier schreibst sprechen mich alle sehr an, danke dafür!

  2. Manchmal frage ich mich, ob externe Hilfe vielleicht deshalb nicht hinzugezogen wird, weil man dann extern sehen könnte, wie besch…eiden die Schule wirklich läuft. Aber das kann nicht sein, oder?

    1. Es wäre leicht, das jetzt sehr frotzelnd zu beantworten, aber im Ernst glaube ich, dass das Problem der externen Hilfe ein sehr vielschichtiges ist.

      Das beginnt imho damit, das lange Jahre in einem typischen Lehrerzimmer und einem typischen Morgen nicht einmal Möglichkeit war, einmal einen Kollegen um Hilfe zu bitten – da waren lange keine entsprechenden System und Gewohnheiten vorhanden.
      Gerade Lehrerinnen des alten Typs leben ja auch in einer Welt, in der sie alles wissen müssen und immer Recht haben – da ist fehlerkultur und um Hilfe bitten schwer.

      Dann ist Schule ja (auch) sehr bürokratisch organisiert. Im normalen Schulalltag sind Lehrerinnen oft sehr alleine (ím postiven wie im negativen) aber alles darüber hinaus hat einen klaren Dienstweg und viel Bürokratie. Und in der sind halt auch Fortbildungen und Fortbildungsanbieter klar organisiert. Wenn man drin ist, kann man sich vermutlich eine goldene Nase verdienen, aber reinzukommen ist schwer.
      Anbieter, die mit irgendetwas zertifiziert sind oder an ein bestehendes Programm andocken (Gesundheitsvorsorge o.ä.) haben es deutlich leichter.

      Dann gibt es ja das Phänommen, dass man aus zwei Gründen keine Fragen stellen kann, wenn man auf ein Problem schaut: Es ist zu einfach oder es ist zu schwer.
      Und viele der Schulen die ich erlebe, stehen (laut eigener Aussage derer, die es etwas überblicken) vor zehn bis fünfzehn Jahren Nachholbedarf. Da weiß man dann schon mal nicht, nach was für Hilfe man überhaupt fragen sollte. Mal ganz davon abgesehen, dass in einer Situation wo es so brennt wie jetzt, eh niemand Zeit für konzeptionelles Arbeiten hat …

  3. Das ist eine sehr verständnis- und fast schon liebevolle Antwort. Ich wäre bei 15 Jahren Nachholbedarf nicht mehr so geduldig. Viele LehrerInnen haben in dieser Situation mein vollstes Mitgefühl und ich bin der Meinung, dass da im Moment viele gute Leute ziemlich verheizt werden. Die Herrschaften an den Entscheidungsstellen, die für diese langjährige Misere verantwortlich sind, eher weniger. Seit April werden wir vor einer 2. Welle gewarnt, man hätte über den Sommer schon konzeptionell etwas verändern können. Und ich bin mir fast schon sicher, dass es auch noch eine 3. Welle geben wird und dass die Verantwortlichen dann wieder nur Lüften im Angebot haben.

    1. Das sind vermutlich zwei verschiedene Betrachtungsweisen, die auch zumindest bei mir gut nebeneinander stehen können. Ich platze vor Wut über die Untätigkeit der letzten sechs Monate. Ich ertrage es nur mit großzügig dimensionierter Verdrängung dass die Liebste da jeden Tag hin muss und dass ich jetzt ihren Luftreiniger bezahle.

      Und (nicht aber!) es bringt ja nichts, die Menschen vor Ort jetzt anzuschreien, dass sie ja seit 15 Jahren alles verkehrt gemacht haben. Wenn ich nicht verstehe, wo die stehen und sie auch in ihren Überforderungen und Ängsten wahrnehme, dann wird sich gar nichts ändern.
      „Wahrnehmen“ und auch sogar auch „Ernst nehmen“ soll übrigens nicht im geringsten bedeuten, dass ich sie da lassen will.
      Nur wer sich bewegen will, darf seine Ängst formulieren und gehört Ernst genommen. Wer in seiner Angst verharren will und Änderungen blockiert ist allerdings imho verkehrt in dem Job.

Kommentare sind geschlossen.

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