Prolog, Gespräch des Tages: Wie lange sind Sie denn heute zu erreichen? — Bis zwei. Oder, falls das bei Ihnen nicht passt, können wir auch für später noch einen Telefontermin verabreden. — Nee nee, das weiß ich noch nicht. Ich melde mich um zwei und wir verabreden dann etwas. — Äh … — Bis später! (Klick)
Ich sing nie mehr die alten Lieder und ich brenne den Tanzsaal nieder.
Vorgestern Abend begriff ich, dass der kaputte Schlafrhythmus, die dauerhaft nicht-so-dolle-Stimmung, mein krampfhaftes Festhalten am Normalzustand und meine *hüstel* leicht erhöhte Posting-Frequenz auf allerlei SocialMedia-Kanälen überraschenderweise exakt das bedeuten, was kaputter Schlafrhythmus, nicht-so-dolle-Stimmung, krampfhaftes Festhalten am Normalzustand und wildes Posten auf allen verfügbaren SocialMedia-Kanälen sonst auch bedeutet: Ich rutsche gerade in eine depressive Episode. Wichtiger, sehr wichtiger Unterschied zu sonst: Ich bin mit der Erkenntnis weit, vermutlich sogar – das lässt sich ja schwer messen – Wochen bevor ich’s sonst bemerkt hätte und habe sofort Maßnahmen* eingeleitet.
Darf ich präsentieren? Hier das Leben als offenes Buch
Jaja, ich weiß, Achtsamkeit ist nicht gerade unser Lieblingsbegriff, nachdem die Insta-SelfCare-Bubble ihn auf beige-farbene Wolldecken, Duftkerzen, Lavendeltee und Egozentrik gelabelt hat, aber echte Achtsamkeit rockt. Ebenso wie echte Selbstwirksamkeit, denn ich habe keinerlei Angst, da nicht problemlos wieder raus zu kommen; ich denke in solchen Momenten dann voller Liebe an die gute Frau, die ich jahrelang montags besuchte und an all das, was sie mir beigebracht hat.
Keine Sorge also, alles wird gut. Nur in den sog. sozialen Netzwerken werden Sie mich im Moment nicht finden. Ich hab sogar die Apps von den HomeScreens verbannt.
Hier kommt die Revolte, hängt sie höher, die Königin!
*) Bevor Sie fragen, was für Maßnahmen ich eingeleitet habe – ich werde das nicht erzählen. Nicht, weil da auf einmal Privatsphäre anfinge, nicht, weil es so abgefahren ist, sondern weil es mein persönliches Set ist, was ich mir entwickelt habe und was deswegen in der Kombi auch nur für mich funktioniert. Und ich möchte vermeiden, dass es jemand als „ach, DAS hilft also gegen Depressionen“ versteht.
Anders: Ich hasse es, wenn Coaches auf IG oder seit neustem auf Threads mit Hausmittelchen wie Sport, frischer Luft und einem Kerzchen kommen. Nicht, weil eines von den drei Dingen falsch sein muss, aber eben, weil alle drei nur gut tun können, wenn man sie aus sich selbst tut. Ich muss begriffen, gefühlt und vollkommen internalisiert haben, warum mir ein Kerzchen gut tut; die Hilfe kommt nicht vom Kerzchen, sondern vom Kopf, dem ich mit dem Kerzchen einen Impuls gebe. Oder anderes: sitze ich vor der Kerze und denke zehn Minuten lang „wie lange denn noch??“ – Überraschung, dann wird mir die schönste Kerze nicht gut tun. In meinem Verständnis und meiner Erfahrung ist DAS der eigentliche Gewinn einer Therapie: Internalisiert haben, was mir gut tut – und es nicht nur mal gehört und auch verstanden haben.
Ich erwähne das nur, falls Sie sich jemals über meinen ausgesprochenen Unmut gegenüber Insta-SelfCare-Coach-Scharlatanen gewundert haben. Also die, die Depressionen anekennen – so langsam wird es ja Mode, sie zu leugnen und einfach als Charakterschwäche zu framen. Was meinen Unmut nicht kleiner werden lä… aber ich schweife ab.
Ich nehm‘ die Beine in die Hand, ich sing‘ nie mehr die alten Lieder
Meine letzte Tat auf Threads war übrigens ein kleines Spielchen mit einem solchen HappyCoach. Während wir mit erhobenem Degen wachem Blik umeinander herum schritten und den Gegner auf offene Flanken hin abcheckten, versuchte er parallel, seine Gefolgschaft mit einem Experiment auf Linie zu bringen.
Zu Beginn hatte ich nämlich meine Zweifel daran geäußert, ob der Erfolg, etwas – wie Weltfrieden oder so – zu „manifestieren“ sich messen lässt (außer in ist-gleich-Null) – er hingegen hatte angeblich sogar eigene Messprotokolle, wollte sie aber nicht zeigen, weil „ich ja eh nicht daran glauben“ würde.
Als der dann seine Gefolgschaft sammelte, um mit ihnen ein weiteres Experiment zu starten, bot ich mich als Versuchsperson an. Leider, leider hatte ich aber nicht das nötige Gerät, um die Qualität meiner Schwingungen zu messen und an dem Punkt verlor ich das Interesse. Ich vermute zwar, er hätte mir ein solches Gerät sicher kostengünstig, vielleicht für nur mittlere dreistellige Beträge, angeboten, aber da ich schon einmal derart vermessen wurde und leider dabei nicht so laut und lange lachen konnte wie ich gewollt hätte (damals hatte mir eine damals-noch-Kundin den Mess-Stab in die Hand gedrückt), war ich schon bedient.
Epilog: Es wird niemanden überraschen, aber sie hat sich natürlich nicht bis zwei gemeldet.
Alles wird gut. Vi ses!
Die eingestreuten Lied-Zeilen – denn um solche handelt es sich – stammen übrigens aus dem Lied Lady Angst von Nicholas Müller, dem Sänger von Jupiter Jones, der zwischendurch die Band wegen einer Angststörung verlassen musste und der daraus einen der kraftvollsten Songs gegen die Dämonen gemacht hat, den ich kenne. Jedem halt sein eigenes Kerzchen.
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