11.6.2025 – ach, Sie zahlen online?

Viel unblogbares passiert in den letzten Tagen, zum Abschluss ein Tag mit Migräne aus der Kategorie „vielleicht wirds besser, wenn ich feste mit dem Kopf vor die Wand laufe?“. Hier Dings, irgendwas mit: Mantel, Schweigen, betten, drüber.


Fundstück aus dem Trash-TV – vielleicht ist das ein Grund, warum ich das so gern gucke: Nirgends sonst kommen überraschende Dummheit, überraschende Klugheit, Hybris und Halbwissen so unterhaltsam zueinander. Ausgangspunkt war eine Frage, die in einer Quiz-Runde kurz vorher gestellt worden war – und es gab noch Klärungsbedarf:
A: So, jetzt sag nochmal: Wo haben die Gallier gelebt? Nicht in Italien?
B: Nein, in Frankreich!
A: Ach natürlich, Obelix war ja Gérard Depardieu.
… und diese Mischung aus überraschendem Allgemeinwissen und gleichzeitigem kompletten Missverstehen in der Anwendung desselben hat mich tief beeindruckt.


Samstag eine SMS: „Guten Tag, wegen einer Unreglmäßigkeit bekommen Sie vorsorglich eine neue Kreditkarte von uns. Ihre Sparkasse“ Wie jeder vernunftbegabte Mensch habe ich das natürlich als Spam gemeldet und gelöscht.
Sonntag und Montag je eine Mail, dass ein Steady-Betrag nicht von der Kreditkarte abgebucht werden konnte. Irritiert geguckt, mich dann aber erinnert, dass ich im Januar eine neue Karte bekommen hatte – na, da hatte ich wohl bei Steady die Karte noch nicht aktualisiert.
Heute morgen eine Mail von der Sparkasse (korrekter Absender): „Herzlichen Dank für die Bestellung einer neuen Kreditkarte …
Es war also Zeit für einen Anruf.

Ja, hm, Sie haben ja zwei MasterCard. Nein? Ach, hm, Moment. Ach, Ihre alte Karte wurde wegen einiger Unregelmäßigkeiten von MasterCard direkt gesperrt und Sie bekommen automatisch eine neue. Was für Unregelmäßigkeiten? Zahlungen, die nicht in Ihr sonstiges Zahlverhalten passen vermutlich, das wissen wir hier nicht. Sie bekommen ja eine neue Karte, die müsste auch diese Woche irgendwann kommen. Oder wollen Sie etwa mal bei MasterCard direkt nachfragen? Ach wirklich, ja Moment, ich such die Nummer raus …

Bei MasterCard bekam ich dann die Info, dass die Sicherheitsabteilung die Karte präventiv gesperrt hat. Manchmal tun die das, weil insgesamt gerade so viele Betrugsversuche passieren (ist das nicht Dauerzustand??). Manchmal tun die das, weil die konkrete Karte in einem Leak aufgetaucht ist, aber dann sagen sie nicht, wo und in welchem. Manchmal tun die das auch, wenn es Abbuchungen an jemand verdächtiges gab, aber dann sagen sie auch nicht, an wen.
Als ich mit etwas wenig Verständnis für die Kommunikationsabläufe reagierte, beschwichtigte sie mich: Die neue Karte sei ja unterwegs, die sei am 5. bestellt und brauche normalerweise höchstens 5 Tage. Also bis gestern? Neinnein, da seien ja die Feiertage zwischen gewesen, aber Freitag dann bestimmt! Und ich könne ja bis Juli die Karte auch noch benutzen, an jedem Automaten! Ach so, ich nutze die Karte also online? Das sei ja eher unüblich, aber nun gut, ich könne doch sicher bei den entsprechenden Stellen anrufen und erklären.
Ich habe ihr dann das Prinzip von Software-Abos, nicht nur aber auch bei amerikanischen Anbietern erklärt und das war eine vollkommen neue Welt für sie. Ob man bei diesem „Apple“ denn nicht anrufen könne? Aha? Aber die Buchungen würden auch eigentlich schon alle auf die neue Karte umgeleitet (Wozu dann die Sperre??), da solle ich mir keine Sorgen machen. Als ich dann fragte, auf Basis welches Sicherheitsprinzips zweimal exakt vier Euro an Steady nicht umgebucht wurden, zweimal um die zweihundert Euro aber schon, wusste sie’s auch nicht so genau.

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich finde super, dass Kreditkartenanbieter Sicherheitsmechanismen haben, die mich schützen können, richtig, richtig super sogar.
Aber dass dann eine Brieftauben-Kommunikation beginnt, dass ich SMS ohne Absender bekomme, Automatismen bei der Bank losgehen, von denen die Bank nichts weiß und ich am Telefon von jemandem beraten werde, die noch 1995 lebt – das ist ein ganz klein wenig mühsam.


Dada-Geistesblitz mit einem Titel für ein nächstes Album: Still haven’t found what I’m looking three.


Wie um etwas zu beweisen kommt dann die Mail, dass morgen schon das Fotobuch da sein wird; das Fotobuch, das wir immer rückblickend für jedes Jahr machen und das uns so gut tut, weil wir uns dann erinnern; das Fotobuch das für letztes Jahr *hust* etwas verspätet entstand. Aber es entstand am Sonntag und die Versandmail lacht die MasterCard höhnisch aus.

Auch heute erleben Religion und anderer Aberglaube ein Comeback, während aufklärerische Ideale zusehends an Bedeutung verlieren.

… schreibt Cornelius W. M. Oettle in der Wochenzeitung Kontext* und ich denke: Das Schwerste an dieser Aufklärung-Geschichte ist vermutlich für die meisten, dass sie dort über kurz oder lang ihrer eigenen Bedeutungslosigkeit begegnen.
Ich persönlich finde ja ganz gut, dass ich nicht zu wichtig bin und nach meinem Tod auch mein Familienstrang stirbt – aber sehe ich mich um, dann ist diese Idee wohl nicht zu sehr verbreitet.

*) Via Flusskiesel Danke dafür!

Nachmittags ins Ruhrgebiet rüber gefahren und ein paar Stunden mit dem Jugendfreund auf der Dachterasse vom Café gesessen. Seit wir das nicht mehr alle acht Jahre, sondern alle acht Wochen machen, ist das superst.


Besten Dank übrigens für sehr anregende Fragen im Wunsch-Doc – ich arbeite daran! Wenn Sie auch wollen …?

Sie haben Fragen? Sie wünschen sich ein Thema, über das ich mal bloggen soll?
Schreiben Sie’s auf!

Alle bisherigen Antworten finden Sie übrigens hier.

3 Kommentare

  1. Mich würden die Ergebnisse einer Umfrage interessieren, ob Menschen ihre Bedeutungslosigkeit als erschreckend oder tröstlich empfinden. Ich selbst empfinde es auch als sehr tröstlich, an meine eigene Vergänglichkeit und Winzigkeit zu denken. Im Anhalter bzw. dem „Restaurant am Ende des Universums“ ist hingegen der „Total Perspective Vortex“ ein Folterinstrument, das Leute genau dadurch in den Wahnsinn treibt. Anscheinend kommt’s also drauf an – aber auf was genau?

    1. Den Teil mit der Umfrage kann ich ja mal starten (kommt mit dem heutigen Artikel).
      Die Frage, worauf’s ankommt verschiebe ich wegen absoluter Ideenlosigkeit mal auf nach-dem-Ergebnis

  2. Ich finde sehr viel Freiheit in dem Gedanken, dass ich vollkommen unwichtig bin. Dadurch kann ich machen, was ich will, weil es (global betrachtet) niemanden interessiert.
    Im engeren Kreis gibt es dann schon Verpflichtungen und Wechselwirkungen mit anderen Menschen. So gänzlich frei ohne jede Beziehung zu anderen wäre auf Dauer auch nix.

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