11.5.2020 – first times

Früh aufgewacht, schnell am Schreibtisch. So getrieben sich das manchmal anfühlt, im Moment ist das offensichtlich gut so. Einiges weggeschafft und Mittags dann zur Seelenmassage. Einen Brief abgeschickt. Zweimal, an verschiedene Empfänger, dann verschwindet er nicht so schnell wieder von dieser Welt, auch wenn sein Inhalt für den eigentlichen Empfänger nicht der gewünschte sein mag. Ich möchte so etwas übrigens gar nicht tun.

Kommen wir zu den Leseempfehlungen.

Wissen Sie, wo die Gefahr, sich anzustecken am höchsten ist?
The Risks – Know Them – Avoid Them (Wenn Ihnen englisch nicht so liegt, die GoogleTranslate-Version des Artikels ist gut lesbar)

Brief an Corona-zweifelnde Facebook-Freund*innen!
Ich sagte ja schon öfter, dass ich arg daran zweifle, dass ich jemanden argumentativ überzeugen kann, wenn ich ihn zuerst beschimpfe – auch wenn Twitter uns das meist so vormacht. Und auch wenn es vielleicht schwer fällt, jemanden, der an eine Gates-Verschwörung glaubt, nicht dumm zu nennen.
Daher finde ich Dirk von Gehlens Ansatz um einiges besser. Was ein wunderbarer Brief!

Demut?
Ja, so gerne hätten wir alles im Griff. Wir möchten, dass die Dinge so passieren, wie wir sie uns wünschen, wie wir sie geplant haben. […] Wir geben uns täglich der Illusion hin, dass wir alles kontrollieren können und alles in unserer Macht steht. Wer bereits Schicksalsschläge und persönliche Krisen erlebt hat, hat zumindest kurzfristig die Erkenntnis gewonnen, dass dem nicht so ist.

Aus: Innovation am Mittwoch vom 6.5.

So beginnt Innovationstrainerin Andrea Schmitt* Ihren letzten Newsletter und ich denke, das erklärt eine Menge von dem, was gerade passiert: Viele Menschen kommen nicht damit klar, dass sie die Kontrolle nicht mehr haben – und dann ist es fürs Hirn einfacher, eine Weltverschwörung zu sehen. Einfacher jedenfalls als einzugestehen, dass wir nur ein relativ zufälliger Haufen Kohlenstoffatome sind, die seit ein paar Sekunden bedeutungslos hier auf diesem Planeten herumkriechen.
(Eigentlich die gleiche Sinnsuche wie die, die die Menschen zu Gottbildern und Religionen getrieben hat.)
Auch das weitere Umgehen mit der Supidupi-Erkenntnis sieht mir verflixt ähnlich aus: Der Hang dazu, sich als etwas Besseres zu fühlen und missionieren zu wollen. Und die Uneinsichtigkeit gegen jede Form von Argumantation.

*) Transparenz-Dings: Ich arbeite für Andrea und habe sie sowohl technisch als auch konzeptionell zum Newsletter unterstützt. Inhaltlich nicht.

Gestern Abend las ich diesen Tweet …

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… und musste sehr lachen. Das ist volkommen absurd, nicht wahr?

Offensichtlich nicht für jeden. Und diese Haltung zeigt genau, was ich meine: Einen Menschen, der daran gewöhnt ist, alles regeln zu können. Egal ob mit Gewalt wie Trump oder mit Geld und Einfluss wie Hildmann, Soost oder Schweiger. Oder auch mein alter Freund.
(Wobei die Gewalt, die von genügend Geld und Einfluss ausgeht imho eh nicht genug als solche anerkannt wird – aber das ist eine andere Geschichte.)

Nach Jahren der Gewöhnung daran, dass man sich mit keinerlei Widerstand mehr wirklich auseinandersetzen muss, muss es unglaublich schwer sein, auf einmal hilflos vor etwas zu stehen, was man nicht mal sieht.
Dann also lieber feste daran glauben, dass alle anderen Macht, Geld und Einfluss ebenso wichtig sind wie einem selbst und ihnen Weltherrschaftsgedanken unterstellen.

Ja, ich weiß, das Wort Demut passt so gar nicht in unsere Leistungsgesellschaft, doch hätten wir alle ein bisschen mehr davon, würden wir uns so viel leichter tun, mit dieser Ausnahmesituation zurechtzukommen“, so beendet Andrea den Text und das gefällt mir natürlich ausgesprochen gut.

Die andere Möglichkeit, der Auseinandersetzung mit sich selbst auszuweichen ist natürlich die Gefahr klein zu reden. „Ist ja nur ne Grippe“, hieß es zu Beginn und letztens las ich tatsächlich, beatmet zu werden, sei ja nicht so schlimm.

Als Vanessa und ich am #m4mvscovid-Projekt arbeiteten, bekamen wir zwischendurch auch Fotos von aktuellen Covid-Patienten zu sehen, die in dem Moment in der Beatmung lagen. Wir telefonierten gerade, als die Bilder reinkamen und wurden beim Ansehen beide sehr still.
Sie möchten das nicht sehen, vertrauen Sie mir; lesen Sie stattdessen gerne diesen Thread. Reicht schon:

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By the way: Ich sage Ihnen aus persönlicher Erfahrung: Eine post-traumatische Belastungsstörung ist kein Spaß. Die stellt sie nämlich, wenn Sie Pech haben, recht regelmäßig vor die Situation, dass Ihnen die Kontrolle über Ihr Leben entgleitet.
Womit wir in einem schönen Bogen wieder oben sind.

Nachtrag: Ich merke gerade, dass mir der Gedanke über die Ähnlichkeit zwischen Verschwörungstheorie und Religion sehr eines zweiten Blickes würdig erscheint. Ich werde das mal im Auge behalten

2 Kommentare

  1. Die Verbindung von Verschwörungsmythen und Religion ist ein interessantes Thema. Und sicher ist sie nicht einfach so leicht abzutun mit „An Gott zu glauben, ist auch einfach nur no ne schöne Welt-Erklärungs-Theorie“. So ist es jedenfalls mein Anspruch als eine, die mit Überzeugung evangelisch ist.
    Und ja, natürlich weiß ich von vielen Verschwörungsmythen auch unter gläubigen Christen.
    Sehr ausführlich und aus meiner Sicht fundiert zum Thema recherchiert hat Michael Blume, deshalb weise ich gerne auf seine Podcast-Reihe hin: https://verschwoerungsfragen.podigee.io
    Dort ist auch die Erklärung zu finden, warum ich lieber von „Verschwörungsmythen“ statt „-theorien“ schreibe.

  2. Oh, dazu habe ich was auf Taste, ursprünglich geschrieben im Kontext einer Diskussion mit einem Chemtrails-Verfechter:
    Natürlich kann man, wenn die Autobahn voller Geister­fahrer ist, die Verkehrs­funkmeldung „… kommt Ihnen ein Falschfahrer entgegen“ als Propaganda­lüge der Mainstream-Medien entlarven, das Radio ausschalten und weiter geradeaus fahren. Das wäre allerdings kein Akt rationalen Handelns, sondern ein Akt des Glaubens und Vertrauens. In diesem Sinne sind die gängigen Theorien der Gegen­öffentlichkeit nicht Wissenschaft, sondern Religion. […] In diesem Sinne ist es natürlich fruchtlos, mit Anhängern der Gegen­öffentlichkeit zu diskutieren – weil wir völlig andere Grund­annahmen darüber haben, mit welchen Methoden eine Theorie überprüft werden kann. Inhalte religiöser Über­zeugungen kann man nicht beweisen, daran sind kluge Menschen seit Jahr­tausenden gescheitert. Man kann nur dran glauben. Oder eben nicht.

    Wobei ich der Vorkommentatorin spontan zustimme, dass in diesem Zusammenhang „Mythen“ wohl das bessere Wort ist als „Theorien“.

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