Nur so eine Idee, was alles auch einen Blick wert wäre, wenn wir uns gerade darüber aufregen, wenn ein Faschist behinderte Kinder nicht in Regelschulen haben will? Dass der das nicht will ist klar, der ist ein Faschist. Aber mir fiele da noch was* ein:
- Eltern, die nicht möchten, dass ihre Kinder mit „den Kindern“ in einer Klasse unterrichtet werden.
- Lehrer:innen, die lieber nicht „diese Kinder“ in ihrer Klasse hätten
- Lehrer:innen, die ihre Aufgabe inklusiven Unterricht zu machen einfach komplett ignorieren, ohne dass es Folgen hätte
- Privatschulen, die lieber keine behinderten Kinder aufnehmen möchten
- Schulministerien, die Sonderpädagog:innen an Regelschulen als Vertretungskräfte verheizen und sie nicht als Sonderpädagog:innen einsetzen
- Bildungsminister:innen, die Inklusion erstmal zurückfahren, damit wir mal wieder auf Leistung schauen können
- das System, in dem Integrationshelfer:innen unausgebildete Nebenjobler:innen sind und keine qualifizierten Kräfte
- ein mehrgliedriges Schulsystem, in dem es behinderten Kindern leider quasi unmöglich ist, etwas höher qualifiziertes als die mittlere Reife zu bekommen
- eine Bürokratie und ein Krankenkassensystem, das Eltern behinderter Kindern das Leben schwerer statt leichter macht
Oder vielleicht zusammengefasst: Ein System, was behinderte Menschen eh einfach lieber nicht um die Füße hätte.
Der weiß schon, warum er das sagt, der Faschist: Weil seine Worte auf fruchtbaren Boden fallen.
*) Eine kleine Sammlung aus Erfahrung der letzten 20 Jahre als Sonderpädagoginnengatte
Und weil es erschreckend gut dazu passt, beantworte ich hier noch eine Frage:
Sie fragen, Christian antwortet
Ich meine das nicht böse und schreibe das im vollen Bewusstsein, dass in Deutschland diesbezüglich auch alles andere als rosige Zeiten herrschen: wie bringst du Dänemark als Traumland mit der dort herrschenden ziemlich rassistischen, islamfeindlichen und den ja selbst gegen Weiße deutlich vorhanden Hürden gegen z.B. Einbürgerung zusammen? Ist es deiner Ansicht nach einfach nur anders oder genauso schlimm wie in Deutschland, obwohl die Politik dort meines Wissens nach von aufm Papier sozialdemokratischen Parteien gemacht wird? Ich meine das wirklich nicht abwertend oder will das Land schlechter reden, als es womöglich ist. Die Frage stammt mehr aus einer bauchschmerzigen Neugier in Richtung „ja, wohin geht man dann, wenn hier womöglich die AfD regiert und gibt es noch Länder, die besser sind?
Warum sollte ich das böse nehmen? Das ist eine sehr gute Frage und ich bin nicht so blauäugig, dass ich mich damit noch nicht befasst hätte.
Die Antwort setzt sich wohl aus mehreren Teilen zusammen, der wichtigste: Mein Wunsch, hier zu gehen beruht nicht auf dem Erstarken der Rechten in Deutschland in den letzten Jahren. Er beruht darauf, dass ich hier seit ich politisch denke und beobachte – also seit grob 35 Jahren – einen bräsig deutschtümelnden, völkischen, hart rechten Sumpf sehe, auf dem eine hübsche aber gefährlich dünne Glasur aus Feuilleton-Liberalismus schwimmt. Ich habe nie geglaubt, dass man ein Land – vor allem so! – „entnazifizieren“ kann und je mehr ich darüber erfuhr, desto mehr bestätigte sich dieses Gefühl.
Oder anders formuliert: Ich denke nicht, dass Dänemark nicht auch ein rechtes Problem hat – ich denke, dass das in Deutschland viel viel größer und tiefer ist, als die meisten denken. Meiner Erfahrung nach zeigt sich Haltung eines oder vieler Menschen immer besser, wenn es jemand schlecht geht als wenn es ihm gut geht – und wann immer es drohte, Deutschland nicht mehr so gut zu gehen, wurden die Antwort derer, die meinen das Volk zu repräsentieren und auch die der tumben Masse rechtsaußen gesucht.
Uns ging es lange sehr super hier, Wirtschaftswunder, Wiedervereinigungstaumel, führende Rolle in der EU, undsoweiter aber sobald es schwierig wurde, sollten immer erstmal die Ausländer raus. (Ja, das ist alles arg verkürzt, Geschichte ist nie monothematisch oder -kausal, aber ich hoffe, Sie verstehen trotzdem die Richtung dessen was ich sagen möchte)
Dänemark kommt immerhin aus einer sozialdemokratischen Tradition und ich habe das Gefühl, dass die Haltung untendrunter eine andere ist. Vielleicht hoffe ich es auch nur.
Dänemark ist auch das Land was ich mir einigermaßen realistisch vorstellen kann: Ich bin nicht mehr jung und flexibel schon lang nicht mehr und ich habe eine PTBS, die sich unter anderem in Angststörungen manifestiert. Ich kann nicht nach Mallorca, Jamaika, Dubai, Neuseeland, woauchimmer Menschen eskapistisch hin flüchten, ich brauche einen möglichst vertrauten Kulturkreis um mich herum und mit dem da oben komme ich bestens klar.
Ich wäre vermutlich eher gegangen, aber zuerst bin ich mit Mitte zwanzig in die Politik reingeraten und dort kann man sehr gut das Gefühl haben, doch etwas zu bewegen und das große Ganze aus den Augen verlieren. Dann hatte ich ein paar Jahre Angst und dann war es auf einmal jetzt.
Und dann gibt es noch den hart resignierten Teil der Antwort: Ja, auch Dänemark bewegt sich nach rechts, auch Dänemark bewegt sich nach bekloppt, aber die haben so viel Rückstand, dass ich es rechnerisch hoffentlich nicht mehr erlebe, wenn sie da angekommen sind, wo ich es nicht mehr aushalte.
Richtig, das war kein leichtes Thema, aber ich danke sehr für diese kluge Frage. Und ich hoffe, ich konnte verständlich anreißen, was ich da denke.
Und: Ich freue mich sehr über die zweite Frage, die Sie freundlicherweise dazu ergänzt haben um die Stimmung wieder ein bisschen rumzureißen:
Und zum Ausgleich noch etwas hoffentlich eher leichtes: Wenn man in die Musik von der von dir so oft erwähnten Tina Dico mal reinhören will, mit welchen 3 Liedern fängt man da an?
Beide zusammen gestellt im
Frage-Dokument
Richtig: Das ist bei weitem nicht so schwer wie die erste. Aber auch nicht ganz einfach. Zwinkersmiley.
Mal sehen: Am besten ist sie eh live, aber ich mag Tina für ihre melancholischen, intimen Singer-Songwriter-Songs, ich mag sie für ihren Radiorock-Pop, den es auch gibt und dann gibt es noch den einen Über-Song, der sie bei denen, denen ihre Musik ins herz trifft, unsterblich gemacht hat.
Das sind drei, das passt doch.
(Beim dem dritten Tip schummele ich, denn um das Lied zu erleben, lohnt es sehr, es in verschiedenen Umgebungen zu hören.)
Ich erzähle Menschen die es nicht hören wollen immer gern: Ich sah sie bei Inas Nacht, fand das toll, googelte, stieß auf das gleiche Lied in Roskilde und begriff: »Das ist nicht „nur“ das „Mädchen mit der Gitarre“, das ist ein großes musikalisches Fundament, da tauch mal tiefer ein.«
Dass ich sie vorher schon einmal weg-gezappt hatte, erzähle ich eher selten.
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Wow, was für eine Stimme! Danke für diesen Tipp.
Immer gern :)