1.11.2020 – Offlinebanking

Gestern im Instagram-Feed viele wunderschöne Halloween-Feiern gesehen. Im Garten über der Feuerschale gegrillt, Grusel-Fondue, Candy-Bars, zig tolle Kostüme, alles was man sich so vorstellen kann. Viele wirklich schöne Familienfeiern. Aber jeder Beitrag fing an mit so Worten wie „leider konnten wir ja nicht … und mussten uns was ausdenken
Oder „so schade, dass wir nicht wie immer feiern konnten … aber wir mochten das auch nicht ausfallen lassen“.
Oder „Es ist ja sonst nichts mehr möglich … und so haben wir wenigstens

Und ich dachte: Aber Ihr habt doch was tolles gemacht? Es war nicht weniger, es war nicht schlimmer, es war halt anders. Vielleicht war es sogar familiärer als der Run durch die Nachbarschaft, bei dem einer von Euch zu Hause bei der Kleinen bleiben muss und alle anderen vollkommen überdreht zurück kommen und ihr eh nicht mehr richtig zusammenfindet?

Und ich dachte an meine Therapie, in der ich gelernt habe, dass das Leben ein wirklich beschissenes ist, wenn ich immer nur daran denke, was mir meine Krankheit nicht mehr erlaubt. Aber ein ziemlich, oft auch sehr ok-es, wenn ich mich daran erfreue, was alles geht.

Und ich dachte: Wir täten uns bestimmt gut, wenn wir auf unser eigenes Framing aufpassen. Auf unsere Worte, auf das worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken. Wenn alles was wir tun nur der Ersatz ist, wenn alles, was wir tun mit einem „schade, aber wenigstens“ etikettiert wird, dann nehmen wir ihm sofort den Wert.
Und ich glaube, das ist unfair gegenüber den tollen Feiern gestern Abend.

Und unfair gegenüber uns selbst und der Mühe, die wir uns alle geben.


Mein Tag begann so gegen drei, als eine Maus gefühlt neben meinem Kofkissen begann, sich ihren Bau auszubauen. War dann nur irgendwo im Giebel aber ich war wach. So bis halb sieben.
Kennen Sie das, wenn der fehlende Schlaf so in den Knochen zieht? Dann welcome to my morning.

Wo die Laune eh gedämpft war, haben wir als erstes Buchhaltung gemacht. Damit’s vorbei ist. Leider: Ein Kontoauszug fehlt.

Versuch eins: Die Banking-App.
Leider hat die Bank beschlossen, mir jeden zweiten Auszug zu schicken und die entgegengesetzten in der App zum Download anzubieten und natürlich fehlt einer der mit der Post hätte kommen sollen.

Versuch zwei: Online-Banking.
Ein mehrseitiges Formular führt mich durch einen Prozess, in dem ich genau auswählen kann, welchen Auszug ich denn brauche. Auf Seite fünf des Formulars durfte ich dann in einem Dropdown wählen, wie der Auszug zu mir kommen soll und die einzige Möglichkeit ist: Zuschicken lassen.

Versuch drei: Ich fahre zur Filiale zum Kontoauszugsdrucker.
Ohne die Check24-Werbung zitieren zu wollen: „Kontoauszugsdrucker“ ist ein Wort das wirklich seltsam ist im Jahr 2020.
Ein großer freundlicher Touchscreen, darauf ein Button „Kontoauszug“. Ich tippe begeistert drauf, der Automat sagt, ich hätte den letzten Kontoauszug schon, beendet die Kommunikation und schmeisst die Karte raus. Ich drücke die Karte sofort wieder rein, bin dem Automaten dabei natürlich zu schnell und er denkt erst lange nach und meldet dann, die Karte wäre falsch eingesteckt. Denkt nochmal nach und wirft sie dann endlich wieder aus.
Ich atme tief, zähle bis 27 und stecke die Karte wieder rein. Hm, mal sehen – wo kann sich ein Kontoauszug wohl noch verbergen wenn nicht hinter „Kontoauszug“? Immobilien ansehen? Termin vereinbaren? Überweisung tätigen*? Kredit beantragen? Eine Saturn II Mondrakete bestellen? Oder vielleicht doch bei „Verschiedenes“?
Auf Seite 2 von „Verschiedenes“ gibt es den Punkt „Zweitschrift“. Ein mehrseitiges Formular lässt mich den richtigen Auszug suchen, ich habe abwechselnd Hoffnung und Angst denn quasi hier war ich ja zu Hause schon mal – aber am Ende kann man tatsächlich „Drucken“.
Hurra.
Nee, erst noch eine Meldung: „Der Druck der Zweitausfertigung des Kontoauszugs kostet 2,95 € – wollen Sie das wirklich?“ und es mag sein, dass auf dem Überwachungsvideo jetzt ein alter weißer Mann wild beide Mittelfinger in Richtung Kamera schüttelt, bevor er zwei Din-Lang-große Stücke Papier aus dem Drucker zieht.
Ich habe die beiden Zettel dann angemessen unter Trompetenklängen auf einem samtenen Kissen nach Haus transportiert.

*) Die beiden Menschen, die vor mir an dem maschinchen standen, die taten übrigens genau das: Die tippten lange Zahlenfolgen von einer Rechnung ab und überwiesen Geld. Das hat sich auch sehr anachronistisch angefühlt. Ich hätte das vermutlich eigentlich gar nicht mitbekommen, aber zwei der drei Kontoauszugsterminals waren defekt und da hört man ja automatisch zu was die beiden anderen Personen im Raum tun.

Danach waren wir am See; danach dümpelten wir beide ein bisschen herum. Ist ja schließlich Wochenende.
Hygienestatus am See: Viele Spaziergänger trugen eine Maske. Das hab ich noch nie dieses Jahr gesehen.

Haben Sie auch zwischen einer und vielen Mails von einem StartUp bekommen, dass man ihr authentisches Blog sehr schätzt und Ihr Blog gern in eine neue App aufnehmen möchte? Ich habe.
Und ich wollte nicht und außerdem wollte ich auch keine Mails mehr bekommen und das für mich möglichst unterhaltsam regeln – damit hab ich dann auch noch ein paar Minuten verbracht.

Heute Abend gibts dann The Voice und wenn ich auf die nächste Woche gucke, dann hab ich wirklich viel zu tun.

Abendstimmung:

Danke fürs Teilhaben und Dabei-sein. Wenn Sie wollen:
Hier können Sie mir ’ne Mark in die virtuelle Kaffeekasse werfen,
Oder – wenn Ihnen Geld zu unpersönlich ist – hier ist meine Wishlist. Sie finden dort formschöne und Freude-spendende Geschenke für wenige oder auch sehr viele Euro.

5 Kommentare

  1. Hallo! Lieben Dank für den Eintrag! Und zwei Anmerkungen: 1. Der Gedanke zum Framing ist super und kommt gerade recht. 2. Ich bin also nicht der einzige ältere weiße Mann, der mitunter Automaten mit Mittelfingern bedenkt – das freut mich erstaunlicherweise ziemlich. Ich wünsche alles Gute für die nächste Woche! Beste Grüße

    1. Manche Automaten haben einfach nichts anderes verdient. Ich denk dann gern an Jennifer Lawrence (ich glaube, es ist aus „Silver Lining“) – das ist die richtige Haltung manchmal :)

  2. (Ich hinke etwas hinterher beim Lesen.)
    Ja, ich hab auch so eine Mail bekommen. Für meine Lyrikseite, haha, als ob das die geneigte Instagram-wirsindallesosupergeil-Leserin interessieren würde … Aber was mich hier wirklich interessiert: wie ging dein „möglichst unterhaltsam“? Kann ich das auch? Ich muss aber dafür nicht auf den Button „Um Himmel Willen, bloß nicht“ drücken, oder? Hast du einen Tipp für mich?

    1. Ich hab die Adresse der Website schön altmodisch von Hand in den Browser eingegeben und dann an die Kontaktadresse geschrieben, ich wolle ihre Mails nicht. Der unterhaltsame Teil war mein Tonfall, der war aber auch leicht zu finden: Eine Website die zwar vertraulich los-Duzt, damit wenigstens ein paar Leute hängen bleiben aber beim zweiten Blick zeigt, dass das alles auf sehr tönernen Füßen steht.
      Anklicken mochte ich in der Mail auch gar nichts – ihr Script hatte mir ja schon beweisen, dass es nicht so richtig funktioniert.

  3. Genau so altmodisch mach ich das dann auch immer mit der Adresse, um rauszufinden, wer dahinter steckt. Hab den dann auch auf Twitter gefunden und meinen ersten Gedanken bestätigt bekommen, dass da natürlich nie jemand auch nur eine Zeile vom Blog gelesen hat und sie nur Content abgreifen wollen. Ich hab bisher gar nicht reagiert, aber die Mail geht dann jetzt auch von mir raus. Mal gucken, wie der Tonfall wird ;-)

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