Früher ging es hier in diesem Blog ja rund um die Montage gerne mal unter dem Stichwort „Seelenmassage“ um das Thema der psychischen Gesundheit; auch mit Vanessa sprach ich mal über die Angst vor der Angst. Viele Montage später beschlossen die kluge Frau und ich, dass ich jetzt wohl ausgestattet wäre, um auch ohne die regelmäßigen Besuche bei ihr durchs Leben zu gehen – und schon daran, dass die Häufig- und Bedeutsamkeit des Themas nachgelassen hat, sehen wir alle, dass die Entscheidung vollkommen ok war.
Nun ist aber so ein Psycho-Scheiß nicht immer „geheilt“ im Sinne von „weg“ so wie ein grippaler Infekt oder ein gebrochener Arm, sondern der Erfolg meiner Therapie ist es eben, dass ich einen großen – ich nenne es immer – „Werkzeugkasten“ habe – also das Wissen um viele Verhaltensweisen, die mich auf depressive Anflüge oder Panikattacken so reagieren lassen, dass diese Dreckskameraden nicht wieder die Oberhand gewinnen können.
Als heute Nachmittag mitten im örtlichen Edeka, in der Mitte zwischen Fleischersatz und Kasse mein Gehirn beschloss, mir ein Detail aus exakt der Zeit meiner Kindheit zu präsentieren, rund um die mir vermutlich aus nicht-gutem Grund ca vier komplette Jahre meiner Erinnerung fehlen und ich mich noch knapp aus dem Laden ins Auto retten konnte, da erinnerte ich mich zum Glück auch schnell, dass dieser Werkzeugkasten neben mir steht, dass er wohl gefüllt und jederzeit einsatzbereit ist. Seit dem Peter-Gabriel-Konzert vor etwas über einem Jahr weiß ich außerdem nicht nur rational, sondern auch aus Erfahrung, dass dieser Werkzeugkasten mich bulletproof macht: Mir wird nie wieder in meinem ganzen Leben etwas Schlimmes passieren, nur weil meine Hirnchemie beschließt, eine Party ohne mich zu feiern.
Nie wieder, ich bin davon nicht nur überzeugt, ich weiß das. Nie.
Und diese Erkenntnis, diese Sicherheit, mit der ich das denken, merken und hier hin schreiben kann, die ließ mich hier doch ein paar Zeilen für den heutigen Tag finden. Vielleicht feiert Ihre Hirnchemie ja auch mal ohne Sie und ich möchte Ihnen versichern: Diese Sicherheit, dass mir nie wieder wirklich etwas passieren kann – die ist machbar und die ist eines der geilsten Dinge, die ich in meinem Leben erleben durfte. Wenn ich das kann, können andere das auch.
Dass ich trotzdem gerade sehr angestrengt bin, während ich im Kopf diesen Kampf führe, dass ich die Notwendigkeit dieses Kampfes ebenso wie den zuständigen Menschen verfluche soweit ein Atheist überhaupt verfluchen kann, die Müdigkeit, weil gerade echt nicht der beste Zeitpunkt für so einen Scheiss ist – das alles steht allerdings nahezu gleichberechtigt einfach mal noch neben dieser Gedankenschlacht. Denn der innere Kampf um die Kontrolle, der braucht halt mehr als die zehn Minuten im Auto den Berg hoch nach Hause, der braucht auch mehr als einen Abend und eine Nacht, in der ich mal wieder Licht und Fernseher nicht ausmachen kann – so wie früher immer und so wie lang nicht mehr.
Aber ich werde ihn wieder gewinnen. Nur Spaß – Spaß macht das bei all dieser großartigen Sicherheit trotzdem nicht.